Titelbild: Max Schreck in „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1922) von F. W. Murnau | Screenshot aus YouTube | movie mag
In Teil 14 der Beitragsreihe »Masters of Horror« macht uns J. T. (AlexOffice) mit den drei Filmregisseuren Friedrich Wilhelm Murnau, Werner Herzog und Robert Eggers bekannt, die mit ihren Verfilmungen der Sagengestalt „Nosferatu“ das Horrorfilm-Genre bereichert haben.
Der originale deutsche Stummfilm „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1922) von Friedrich Wilhelm Murnau gilt als einer der ersten Horrorfilme und hatte einen großen Einfluss auf das Genre. Der deutsch-französische Film „Nosferatu – Phantom der Nacht“ (1994) von Werner Herzog und das US-amerikanische Remake „Nosferatu – Der Untote“ (2024) von Robert Eggers gelten als Hommagen an Murnaus Original.
»Masters of Horror« – Teil 14 – Murnau | Herzog | Eggers : „Nosferatu“
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Friedrich Wilhelm Murnau
(* 28. Dezember 1888 † 11. März 1931)
„Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1922)
Murnaus Interpretation des blutdurstigen Grafen aus dem transsylvanischen Hinterland blieb neben „Der letzte Mann“ und „Faust“ sein erfolgreichster Film und wurde neben „Das Cabinet des Dr. Caligari“ der wohl bedeutendste Beitrag zum deutschen Horrorfilm. Insbesondere auch hinsichtlich der Nachwirkung, mitunter in Form von Legenden, die sich um das Kunstwerk rankten. So kam Hauptdarsteller Max Schreck (alias Graf Orlok) der Ruf zu, wahrhaftig ein Vampir zu sein. Das Gesicht des Grafen erschien furchterregend, rattenhaft (an Bord der Demeter tummeln sich zahllose Ratten, die später in „Wisborg“ an Land gehen und die Beulenpest verbreiten), die Hände wie Vogelklauen, dazu die starren Augen… eine Filmikone war geboren!
Der Tag-Nacht-Kontrast wurde in einer von der Murnau-Stiftung restaurierten und viragierten[1] Nachbearbeitung besonders hervorgehoben: Blau für Nacht, rosa für Morgengrauen. Die Ästhetik Caspar David Friedrichs hatte wohl enormen Einfluss auf Murnaus Filmästhetik, das grandiose Spiel von Licht und Schatten. Gedreht wurde in Lübeck, Wismar und Rumänien.
Zeitlos wirkt die Intensität des Grusels dieses Stummfilmklassikers bis heute, und welch Reichweite und Einflussgröße dem Original zukommt, lässt sich nicht nur an den Remakes ablesen, sondern auch bspw. in der Stephen King-Verfilmung „Salem’s Lot“ (dt. „Brennen muss Salem“). Hier weist der Haus-Vampir der Marstens eindeutige Parallelen zu Murnaus Interpretation des Grafen auf.
Murnau selbst hatte ein Cameo[2] im Film. Später wurde die Beziehung zwischen Murnau und Schreck im quasi-satirischen „Shadow Of The Vampire“ ausgeschlachtet.
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Nosferatu – ein zeitloses Kunstwerk
Murnaus Original von 1922 bleibt ein Meisterwerk, auf ewig. Rein aus filmästhetischen Aspekten, doch unbedingt auch und nicht zuletzt durch Max Schrecks beklemmend authentische Darstellung des Grafen Orlok. Zum ersten Mal ging die Figur des blutdurstigen Vampirs derart eindringlich als zutiefst surreale, nicht-menschliche Figur in die Filmgeschichte ein. Das eben leichenblasse, rattenhafte Gesicht, die hervordringenden Augen… Max Schrecks Performance war so brillant, dass sie die Gerüchteküche in Gang setzte, dass es sich bei ihm wahrhaftig um einen Vampir handle. In „Shadow Of The Vampire“ (aus dem Jahr 2000, mit John Malkovich und Willem Dafoe) wird genau dieser Mythos(!) behandelt.
Geboren war die Idee jedoch nicht in Murnau, sondern in dem Leipziger Grafiker, Filmarchitekten und Autoren Albin Grau, der im Jahr 1930 für die vertonte Version unter dem Titel „Die zwölfte Stunde“ verantwortlich war. Aus Bram Stokers Dracula wurde Orlok, aus London wurde Wisborg, aus John Harket: Thomas Hutter. Aus dem Schiff, der Demeter, wurde die Empusa. Die Schwärme von Ratten, die die Pest nach Wisborg brachten, sind ebenfalls in der literarischen Vorlage Stokers zu finden.
Die „Nosferatu-Linie“ verschaffte der Dracula-Sage das eigentliche Grauen. Die Filmhandlung ist in wenigen Sätzen erzählt, dafür ist der Detailreichtum umso gewaltiger, frappierender und darum letztlich auf wohl allen Ebenen in Sachen Nachwirkung in der kollektiven Erinnerung haftend. Ein zeitloses Werk und eines von einer Reichweite von bereits über einem Jahrhundert.
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Werner Herzog
(* 5. September 1942)
„Nosferatu – Phantom der Nacht“ (1979)
Werner Herzog huldigt mit seiner Adaption das Original, in welcher Klaus Kinski den kahlköpfigen, unter Vereinsamung leidenden Grafen verkörperte. Wenngleich Kinskis Blick – eine Melange aus irre und melancholisch – beeindruckend war, brachte er jedoch das Menschliche ins Spiel. Kinskis Orlok wirkt kränklich, schwermütig, schizoid. Ihm fehlt Max Schrecks Rattenhafte, das entmenschlichte Grauen.
Die Fortsetzung „Nosferatu in Venedig“ ist nur für Hardcore-Kinski-Fans noch irgend genieß-bar. Der narzisstische Berufsexzentriker Kinski war nun nicht mehr bereit, sich von seinem wallenden Blondschopf zu trennen. Statt Handlung gab es bloß Kinski, dafür sehr sehr viel…::: KINSKI…
Klaus Kinski und Bruno Ganz in „Nosferatu – Phantom der Nacht“ von Werner Herzog (1979) | Screenshot via www.imdb.com
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Robert Eggers
(* 7. Juli 1983)
„Nosferatu – Der Untote“ (2024)
Robert Eggers, ein Meister der düsteren Ästhetik, lässt hier einen neuen Orlok (von Bill Skarsgård verkörpert) auf sein Publikum los. Mit Lily-Rose Depp als Ellen Hutter wird ein wieder elektrisierendes erotisches Duett inszeniert. Eggers‘ Orlok wirkt nun monströs, wie ein sich im Verwesungsprozess befindlicher Ork, wie ein Hybrid aus Murnaus Version und, zumindest von der Statur her, dem Creeper aus „Jeepers Creepers“ nahe.
Eggers bleibt auch hier seiner Linie der Schauerromantik treu. Überhaupt wirkt seine Filmografie wie ein nicht enden wollendes Mantra mit gewaltiger Sogwirkung.
Bill Skarsgård in „Nosferatu – Der Untote“ von Robert Eggers (2024) | Bild aus „Bill Skarsgård’s Nosferatu is set to be an intense epic“ von Adrian Halen auf horrornews.net
Willem Dafoe ist eine für Eggers sichere Wahl, war er doch schon in „The Lighthouse“, später auch in „The Northman“, vertreten und spielte eben auch in der kleinen Schaubuden-Parodie „Shadow Of The Vampire“ eine tragende Rolle. Dafoe bringt auch hier dieses Charisma, das die Ahnung eines nahenden Unheils birgt, ein und verhilft Eggers‘ Stilistik bzw. seiner makabren Poesie zu ihrer Vollendung.
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Dieser jüngste Nosferatu, entgegen aller gemischten Rezeptionen, liefert eine glänzende Hommage an die düstere Romantik des frühen Schauerromans und Gruselfilms und nicht zuletzt an Murnaus Original. Eggers ging für seinen Nosferatu gründlich in die Recherche und erweiterte das Remake um einige Feinheiten und sogar Charaktere (so kam William Dafoe alias Professor von Franz hinzu). Zu den Drehorten zählen die rumänische Felsenburg Burg Hunedoara, einige Schauplätze in Tschechien und die Petrikirche in Lübeck. Bill Skarsgårds Orlok erscheint gewaltiger, rauer, maskuliner als seine Vorgänger. Wenn auch etwas zu glattpoliert durch CGI[3] etc. pp., gelang Eggers, einem Meister des Folk Horror, mit seinem jüngsten Nosferatu ein Glanzstück, das sowohl durch seinen historischen Kontext als auch durch gesellschaftlichen Tiefgang herausragt.
Die spätherbstliche Grundstimmung, die sich in allen Filmen von Robert Eggers finden lässt, lädt vielleicht nicht direkt zum Schauen an Frühlings- oder Sommerabenden ein, obwohl…:
Warum eigentlich nicht!?
Ein Beitrag von J. T.
Anm. d. Red.:
[1] Viragierung: eine Technik des Einfärbens von Fotos oder Filmmaterial
[2] Cameo: Kurz-Auftritt einer bekannten Persönlichkeit
[3] CGI (Computer Generated Imagery): digitale Bildeffekte, die mit Hilfe von Computergrafik erstellt werden
Weiterführende Links:
• Nosferatu (Sagengestalt) – Wikipedia
• Friedrich Wilhelm Murnau – Wikipedia
• Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens – Wikipedia
• Werner Herzog – Wikipedia
• Nosferatu – Phantom der Nacht – Wikipedia
• Robert Eggers – Wikipedia
• Nosferatu – Der Untote – Wikipedia
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