„Kein Roman ey“ ist die Zeitung des Standorts Köln-Mülheim der Alexianer START GmbH. Warum „Kein Roman ey“? Die Betriebsstätte befindet sich auf der Romaneystraße. Gemeinsam mit der Redaktion veröffentlicht der Xblog die Texte der Zeitung.
»Weiß ich, wer ich bin?« – diese große Frage hat sich Kerstin Brauer (Alexianer START Standort Köln-Mülheim) gestellt und über sich nachgedacht. Auf der Suche nach Antworten ist sie achtsam „in sich gegangen“ und schildert hier anhand ihrer eigenen Erfahrungen, was sie über sich herausgefunden hat.
„Weiß ich, wer ich bin?“
Die Frage klingt vermutlich seltsam. Natürlich weiß ich, wer ich bin. Schließlich stehe ich jeden Morgen auf und gehe jeden neuen Tag meinen Wünschen, meinen Zielen und meinen Aufgaben nach.
Doch ist das wirklich so? „Weiß ich, wer ich bin?“
Es ist eine scheinbar simple und trotzdem bedeutsame Frage: „Wer bin ich?“
Oberflächlich betrachtet, ist es verwirrend, sich überhaupt Gedanken darüber zu machen. Keiner kennt einen so gut wie man sich selbst. Bei mir traten zwei Probleme auf. Erstens machte ich mir keine Gedanken über meine Persönlichkeit mitsamt den Stärken und Schwächen und zweitens war und ist meine Wahrnehmung so verzerrt, dass ich mich selber belogen und die eigenen Fähigkeiten nicht wahrgenommen habe.
Diese Tatsache bekam ich im Jahr 2016 am eigenen Leib zu spüren. Mir ging es über Monate oder, um ehrlich zu sein, über Jahre nicht gut. Was das mit meiner Selbstwahrnehmung zu tun haben sollte, erschloss sich mir anfangs nicht.
Dann kam im August 2016 mein Aufenthalt im Schlaflabor. Dort gelandet bin ich wegen ständiger Müdigkeit und Luftnot. Eine Schlafapnoe wurde zwar nicht festgestellt, aber der dortige Oberarzt riet mir zu einem Infogespräch in der Adipositassprechstunde des St. Franziskus-Hospitals. Er vermutete, dass mein massives Übergewicht mit den Beschwerden zusammenhängen könnte. Ich hatte da noch keine Einsicht, deswegen dauerte es bis in den Oktober hinein, bevor ich einen Termin machte. Ab diesem Zeitpunkt begannen 10 aufregende Monate. Der Arzt, der mit mir sprach, klärte mich über chirurgische Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung auf und gab mir eine To-Do-Liste mit, die abzuarbeiten war.
Nach wie vor wollte ich nicht wahrhaben, dass mein Übergewicht eine tragende Rolle für meine Befindlichkeiten spielt. Mein Inneres weigerte sich einzugestehen, dass ich mich nicht so sehe wie es andere tun, ich wegen des Gewichts nicht unter Menschen gehe. Ich spielte alles herunter.
Die 10 Monate Vorbereitungszeit waren hart, ich habe oft geweint und wollte alles hinwerfen. Heute bin ich den Menschen dankbar, die mich durch diese Zeit begleitet haben und mich immer wieder ermutigten, weiter zu machen.
Am 14. September 2017 war es dann so weit, und mein Magenbypass „Fluffy“ zog bei mir ein. Dank ihrer Hilfe und meiner Disziplin habe ich bis heute 40 kg abgenommen. Es bringt reichlich Vorteile mit sich, wenn man weniger wiegt. So kann ich mich besser bewegen und wage es wieder, Sport zu machen. Dabei spüre ich Muskeln und Körperregionen an mir, die mir vorher fremd erschienen.
Noch etwas habe ich gelernt, nämlich, dass Selbstwahrnehmung eng verwandt ist mit dem Begriff Achtsamkeit. Wenn ich mich selber wahrnehme, „bin ich bei mir“, „höre ich mir zu“, „spüre ich mich“, „nehme ich meine Bedürfnisse und Gefühle wahr“, und „ich merke instinktiv, was mir gut tut oder nicht“.
Diese Eigenschaften waren mir abhandengekommen, weil ich mein Gewicht und alles, was daran hing, herunterspielte. Immer war etwas anderes wichtiger als ein ruhiger Moment mit mir selbst. Bis heute ist mir immer klarer geworden, dass es so nicht weitergehen kann. Ich nehme die Zügel meines Lebens nun selber in die Hand und denke über mich nach. Ich gehe in mich auf der Suche nach Antworten. Bevor diese Einsicht kam, wollte ich alle um mich herum zufrieden stellen: meine Familie, Ausbilder, Freunde… Aber ich fragte mich nie, was ich wirklich wollte und brauche, um glücklich zu sein.
Viele Grüße,
Kerstin
Ein Beitrag von Kerstin Brauer | Alexianer START Standort Köln-Mülheim
Bilder:
• Titelbild (Ausschnitt) von olcay ertem auf Pixabay
• Illustration (Ausschnitt): © Canva | in „Achtsamkeit: Wertfrei im Hier und Jetzt“ | Schwabe Austria
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Sehr mutiger und einfühlsamer Beitrag danke für die Einblicke!