Am 15. April wird weltweit der „Tag der Kunst“ gefeiert. Zu diesem Anlass hat sich L.S. (AlexOffice) die große Frage gestellt: »Was ist Kunst?«. In seinem Essai gibt er in seinem ganz individuellen künstlerischen Stil Antworten darauf und illustriert seinen Text mit einer kleinen (Typo-)Grafik. – Das Titelbild zum Beitrag wurde von Barbara Minnich aus dem AlexOffice gestaltet.


 

»Was ist Kunst?«

Ein Essai zum Tag der Kunst am 15. April

Sie begleiten uns von der Geburt, mit zart gefärbten Bündeln, aus denen wohl ein Händlein winkt, im Schnabel manchen Storchs getragen, bis an die Gruft, aus ernstem Erz gebildet drückt der klassisch eingedrehte Jüngling seine Fackel nun verlöschend hin zum Staub: Allegorien, um Leben und Werden, Vergehen in Bildern zu fassen – sinnstiftendes wie deutendes Geschehen, das entgleisend hin zum Kitsch, doch auch mit tief in uns erkling’nen Saiten zu Ton wie Trost verheiß’nem Ausdruck des ins Seiende Gestellten finden kann, zur Kunst.

Unmanierierte Naturnähe, an holzschnittartige Grotesken rührend, doch wahrer Ausdruck des gedachten, unergreifbar Fernen im Bildenden konkurriert mit aus Überbietungsstrategien gewachsenen Variationen eines sich ähnlich bleib’nen Schemas errungenen Idealitätsanscheines und weist Dilemmata, Begrenztheiten in Darstellbarkeit jenes Einen, über das mit Wittgenstein zu schweigen ist, aus. Denn Kunst ist Ahnen des wahrhaftig Schönen, ein tastendes Erfragen, „Lüge, die uns Wahrheit erkennen lässt“, wie Picasso sagte, aus der Erschütterung kakophoner Verzerrung zur klangpoetischen Wohlgeordnetheit, in der ein Widerspruch das Ausgeschlossene doch mit hinein zu nehmen weiß, kein akademisches Pastell, sondern Aufbruch in verfremdend deutender Figuration des an uns Herangetragenen, zu verhüllen und enthüllen.

Denn was im Anderen, von dem jedwedes Wissen kaum verstattet ist, zu liegen scheint, bleibt wie in Schleiern, doch ist’s ein Übergang, enthebende Einsicht, die nicht in Formen, sondern dem sie tragenden, auch unbedacht der Hand entflossenen Gedanken Ausdruck, Vergemeinschaftung, Wesensbestimmung, gerechtfertigtes Bestreben findet, ancilla und domina zugleich wird; denn Kunst ist Umkleidung des Unnennbaren im Gleichnis, Darbietung in Emphase, Wagnis, Protest, Beschwichtigung, Einmanteln des Verneinens, gebraucht und missbraucht zum politischen Zweck, wie auch evidenter Zweckhaftigkeit entbundener Eigenwert, Leerstelle, welche unser Menschsein definiert und so im Letzten befähigendes Geschenk. Worin sind ihre Wege offenbar, als aus der Möglichkeit Geborenes? Hier tritt ein ethisches Moment hinzu, Gefundenem und Erfundenem Richtung zu geben: belehrend wie erbaulich, heilsam bestürzend, unmöglich Scheinendes erschaffend, offen auf ein Fremdes hin, Stückwerk und gefügtes Mosaik zu sein.

Sie, die Kunst, ist dialektisches Gewebe des bewegend Schönen zum summum bonum, ein Aufbegehren Teil der Schattentiefe, tröstliche Kontur des Gleichnis Werdenden, doch aus Entfernung ihres Widerspruchs sich selbst nicht mehr entsprechend, abdriftend, von Höhen zum Mittelmaß und zu vergessendem Getön des Chaos, den fass’nen Blick verweigernd, der heilen wie beleben will – so ist die Kunst Arznei und zeugt von rechtem Handeln in die Weite, mühender Freiheit zur coincidentia oppositorum, von Strebendem, Genügendem des ausführbaren Wollens. Als Gabe aus Gegebenheiten wird sie im Wandel stetig neu und hilft, das Ziel, sich selbst und so auch anderen geworden, nicht zu verfehlen, befriedet, lädt ins Träumen, zur Leichtigkeit auf festem Grund, lehrt mit allen Sinnen und flicht so, wohl unausbleiblich, blütenlesend Kränze ewigen Dankes.

"Was ist Kunst?" – Grafik von L.S.

Ein Beitrag von L.S. (Text und Grafik „Was ist Kunst?“)

Titelbild (Composing verschiedener Bilder) von Barbara Minnich 
(darin verwendete Fotos von Alice Dietrich auf Unsplash | von weston m auf Unsplash | von Jas Min auf Unsplash)


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