Der US-amerikanische Film »Amadeus« aus dem Jahr 1984 beschreibt die letzten zehn Lebensjahre von Wolfgang Amadeus Mozart aus der Sicht seines Rivalen, des Hofkomponisten Antonio Salieri. Andreas Krebs (AlexOffice) hat das preisgekrönte Werk unter die Lupe genommen und stellt es uns hier in einer persönlichen Filmrezension vor.


 

»Amadeus« – Eine Filmrezension

USA 1984 | Regisseur: Miloš Forman


Die Story

Wien im Jahre 1781: Wolfgang Amadeus Mozart trifft am Kaiserhof von Joseph II. ein, um seine Musik zu präsentieren. Jung und begabt, bereits in ganz Europa berühmt, will er in Wien Karriere machen. Er sucht nach finanzieller Sicherheit und möchte seine Opern nicht nur hier komponieren, sondern auch aufführen.

Doch seine Genialität ruft Neider auf den Plan. Vor allem Antonio Salieri, der Hofkapellmeister des Kaisers, ist entsetzt über das eigenwillige und recht unangepasste Benehmen des jungen Mannes. Noch mehr ist Salieri allerdings entsetzt, als er merkt, dass die Kompositionen des Neulings seinen eigenen hoffnungslos überlegen sind.

Hin- und hergerissen zwischen der Liebe zur Musik und dem Hass auf den Konkurrenten, beginnt Salieri hinter den Kulissen Intrigen gegen Mozart zu spinnen. Mit Erfolg: Mozarts Oper „Figaro“ fällt durch und Salieri erschwert dem jungen Künstler den Weg, durch Schüler Geld zu verdienen.

Aber das allein genügt Salieri nicht. Er fasst den Plan, Mozart auf perfide Art zu töten: durch Musik…


Miloš Forman – der Regisseur

Miloš Forman ist Anfang der 80er Jahre in der Filmwelt kein Unbekannter. Er gilt als jemand, der sich auch an ungewöhnliche Stoffe herantraut. Auf sein Konto gehen schon zwei Klassiker der Filmgeschichte: „Einer flog übers Kuckucksnest“, ein Film über repressive Methoden in der Psychiatrie mit Jack Nicholson, und das Hippie-Musical „Hair“.

Als Forman mit seinem neuen Projekt „Amadeus“ nach Hollywood geht, rümpft Hollywood erst einmal die Nase: ein teurer Kostümfilm? Dann noch mit klassischer Musik? Nein, das Risiko war den Studiobossen zu hoch. Forman musste alte Unterstützer aufsuchen, Menschen, die Vertrauen in sein Talent hatten. Schließlich bekam er den Film doch noch finanziert.

Und der Erfolg gab ihm recht: „Amadeus“ spielte an den Kinokassen ordentlich Geld ein und gewann acht Oscars – unter anderem als „bester Film“. Erwähnenswert ist, dass Amadeus auf einem Theaterstück von Peter Shaffer basiert, der für den Film auch das Drehbuch verfasste. Die qualitativ hochwertigen Dialoge und die nahezu perfekte Szenenabfolge sind Shaffer zu verdanken.


Schauspieler und Charakterzeichnung der Figuren

❚ Antonio Salieri (1750 – 1825)

Filmszene mit F. Murray Abraham als Salieri in "Amadeus" (1984) – © Copyright 2002 | Warner Brothers | All Rights Reserved

Antonio Salieri, die zentrale Figur des Films, ist Hofkomponist des österreichischen Kaisers. Aus seiner Sicht werden die letzten Lebensjahre Mozarts in Rückblenden geschildert. F. Murray Abraham, bekannt aus anderen namhaften Hollywood-Produktionen wie „Scarface“, „Im Namen der Rose“, „Fegefeuer der Eitelkeiten“, „Nostradamus“ etc., verkörpert die Figur des Salieri mit erschreckender Konsequenz.

Er spielt Salieri nicht nur, er ist Salieri – dieser asketisch lebende, von Ehrgeiz zerfressene, ernste Mann – dessen einziges Glück aus der Anerkennung seiner Mitmenschen besteht. Abraham interpretiert die böswillige Hinterhältigkeit der Hauptfigur brillant. Noch faszinierender sind die Szenen, in denen er unveröffentlichte Partituren Mozarts in den Händen hält und in geistiger Entrücktheit der Musik lauscht, die ihm da entgegenströmt.

❚ Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)

Filmszene mit Tom Hulce als Mozart in "Amadeus" (1984) – © Copyright 2002 | Warner Brothers | All Rights Reserved

Tom Hulce überzeugt als Mozart vor allem in der zweiten Hälfte von „Amadeus“. Dort erlebt man den Absturz des Ausnahmekünstlers vom gefeierten Opernkomponisten und Liebling der Wiener Gesellschaft zum finanziell bankrotten Drogensüchtigen. Die unsteten Stimmungen Mozarts, seine nervliche Überspanntheit und die konsequente Missachtung der Gesundheit kann man durch die Darstellung Hulces hautnah nachempfinden. Am Schluss scheint Mozart sich eine Art Gespensterwelt erschaffen zu haben, in der er wie besessen einige der größten Meisterwerke der Musikgeschichte komponiert.

Die Historie

Das Wunderkind Mozart wurde von seinem Vater erschaffen. Leopold Mozart, Komponist und Kapellmeister, unterrichtet den Jungen früh am Klavier und in Komposition. Als Amadeus acht Jahre alt ist, geht er mit ihm und seiner ebenfalls minderjährigen Schwester auf Europatournee. Über holprige Kutschenwege, mit Auftritten vor gekrönten Häuptern und auf Landsitzen des Adels, wird dieses Leben für den Jungen zur Strapaze. Um den Anforderungen standzuhalten, mixt der pharmazeutisch erfahrene Vater verschiedene Pulver für seinen Sohn zurecht: der Beginn einer Drogenkarriere.

Im Erwachsenenalter nimmt Mozart über zwanzig unterschiedliche, zum Teil sehr schädliche Medikamente, wie das damals übliche Quecksilber gegen Syphilis. Hinzu kommt ein ungeregelter Alkoholkonsum. Die fieberhaften Arbeitsstunden an seinen Opern und Musikkompositionen tun ihr übriges.

Das Verhältnis zum Vater bleibt sein Leben lang angespannt. Leopold Mozart kritisiert den Sohn in allen Lebensbereichen: in Bezug auf seine Frau, die Finanzen, Ordnung in der Wohnung. Selbst nach dem Tod beherrscht der Vater noch die Gedanken Mozarts. Wo er als Kind dem Vater fast hörig gewesen ist, entwickelt er nach dessen Tod Ängste und Depressionen.

Leider war Mozart nie klug genug, sich seinen Problemen zu stellen. Der ausschweifende Lebenswandel und die psychischen Probleme führten ihn unweigerlich in den Abgrund. Im Alter von nur 35 Jahren stirbt Mozart, wahrscheinlich an Nierenversagen.

❚ Constanze Weber (1762 – 1842)

Die weibliche Hauptfigur Constanze, die Frau Mozarts, wird in den meisten Rezensionen nur ungenügend gewürdigt. Natürlich dominiert Abraham als Salieri durch seine Schauspielkunst den ganzen Film. Doch Elizabeth Berridge präsentiert dem Zuschauer eine Constanze, die von allen dargestellten Figuren der Realität wahrscheinlich am nächsten kommt. In manchen Szenen überrascht sie neben ihrem burschikosen Auftreten mit einer intensiven Verletzlichkeit, die beim näheren Hinschauen berührt.

Constanze hatte es mit ihrem berühmten Mann eigentlich nie einfach: immer in Geldnöten, den unselbständigen, psychisch labilen, in praktischen Angelegenheiten des Lebens stets überforderten Amadeus an der Seite, musste sie oft selbst die Initiative ergreifen. Beeindruckend sind dann auch die Szenen mit der mutigen Constanze, wenn sie am Ende Salieri die Stirn bietet oder bei Verhandlungen mit Geldgebern. Insgesamt hätte Elizabeth Berridge aufgrund ihrer viel-schichtigen Darstellung der Constanze mehr Anerkennung verdient.

Ebenfalls erwähnenswert ist Jeffrey Jones, der als kaiserlicher Potentat in einer Weise überzeugt, die Spaß macht. Durch sein hintergründiges Spiel sorgt er vor allem in der ersten Hälfte des Films für wunderbare Situationskomik.


Casting und Filmfakten

„Amadeus“ unterlag einem außerordentlich aufwendigen Casting: Selbst kleinste Nebenrollen wurden mit penibler Sorgfalt besetzt. Weit über 1.000 Schauspieler*innen haben für Rollen vorgesprochen. Und alle Beteiligten – vom Statisten bis zum Charakterdarsteller – hatten das Gefühl, einer Gemeinschaft anzugehören, die zusammen etwas Magisches ins Leben ruft. Der Regisseur unterstützte diese Atmosphäre, indem er so oft wie möglich am Set die Musik von Mozart über Lautsprecher einspielen ließ. So entstand durch Kostüme, die Umgebung und Musik die Illusion, in ein anderes Zeitalter einzutauchen.

»Amadeus« | USA 1984 | FSK 12

Regie: Miloš Forman
Schauspieler: F. Murray Abraham | Tom Hulce | Elizabeth Berridge | Jeffrey Jones | Roy Dotice | Cynthia Nixon u.a.
Zwei Fassungen: Director’s Cut 173 Min. | Kinofassung 153 Min.
(Auf DVD kann man guten Gewissens nur den wesentlich längeren Director’s Cut empfehlen. Bei Digitalisierung der Kinoversion kam es vermutlich wegen eines ungleichmäßig laufenden Filmgebers im zweiten Teil des Films zu Tonschwankungen – ein Grauen für jedes musikalische Ohr.)
Auszeichnungen: acht Oscars (u.a. bester Film, Hauptdarsteller, beste Regie, bestes Drehbuch; dieselben Kategorien gewannen auch den Golden Globe)


Bewertung

❚ Fiktion und Wirklichkeit

Vieles in „Amadeus“ beruht auf Erfindung: So bat Constanze Salieri nicht um Hilfe. Und Mozart hat seinem Widersacher nie Noten diktiert. Überhaupt wird der Film dem historischen Salieri kaum gerecht. Sicherlich: Ein Mann, der sein Leben der Musik verschrieb, über vierzig Opern komponierte, wird in Mozart mehr als nur einen unangenehmen Konkurrenten gesehen haben. In der ein oder anderen Intrige mag deshalb ein Körnchen Wahrheit wohnen. Aber dieser Vernichtungswille, mit dem der Film-Salieri das musikalische Ausnahmetalent verfolgt, ist Fiktion.

Mozart selbst wird in seinem sehr kindlichen Verhalten – vor allem bei Hof – übertrieben dargestellt. Doch Kunst muss übertreiben, sie soll es auch. Erst wenn Dinge ihre überspitzte Form erreichen, treten die dahinterliegenden Prinzipien hervor. Deswegen sind historische Ungenauigkeiten durchaus zu befürworten, da sie – wie im Falle des Films „Amadeus“ – der Dramaturgie der Geschichte dienen und für die Verdeutlichung psychologischer Zusammenhänge unentbehrlich sind.

Filmszene mit F. Murray Abraham als Salieri und Tom Hulce als Mozart in "Amadeus" (1984)

❚ Salieri und Mozart als symbolische Figuren

Mozart symbolisiert den Rebellen und unangepassten Helden. Seine Werke ragen in die Zukunft hinein, verblüffen, aber überfordern auch seine Zeitgenossen. Und Mozart provoziert: „Die Entführung aus dem Serail“, die in einem Harem spielt, widersprach dem moralischen Wertekorsett der damaligen Gesellschaft. Mit dem „Figaro“ brachte er kurz vor der französischen Revolution einen sozialkritischen Stoff auf die Opernbühne und durch den „Don Giovanni“ zauberte Mozart Musik in die Welt, wie sie niemand je zuvor vernommen hatte. Kein Wunder, dass dem Genie immer wieder Wellen der Ablehnung entge­gen­schlugen.

Der Widerstand der damaligen Zeit gegen Mozart bündelt sich in Miloš Formans Film hauptsachlich in einer Person: Antonio Salieri. Diese Figur steht symbolisch für die etablierten Kräfte am Kaiserhof. Sie steht auch für das Unverständnis gegenüber neuen Ideen und revolutionären Konzepten, für den Neid, den außer­gewöhnliche Fähigkeiten fast immer hervorrufen. In Salieri und Mozart treffen Welten aufeinander. Es sind zwei arche­typische Charaktere, die einen mitleidlosen Konflikt aus­­tragen. Der Kampf um die Gunst des Publikums und der psychi­sche Verfall der beiden Hauptfiguren bestimmen den gesamten Rhythmus des Films.

❚ Kunst als Höchstleistung

Mozart war ein Hochleistungs-Künstler. Seit dem vierten Lebensjahr saß er vor dem Klavier; mit fünf begann er zu komponieren. Als Erwachsener konnte Mozart Partituren im Kopf entwerfen, um sie dann fehlerlos auf Papier niederzuschreiben. Eine Melodie brauchte er lediglich einmal zu hören und konnte sie jederzeit auswendig abrufen. Solche Fähigkeiten erwirbt man sich nicht ohne Schweiß und enormen Zeitaufwand.

Es ist ein unsinniger Mythos, dass Talent in erster Linie vom Himmel fällt. Menschen, die Höchstleistungen erbringen, verzichten auf mehr, als man denkt. Der Rahmen eines normalen Lebens entfällt nahezu vollständig: Die Familie wird vernachlässigt. Es kommt nicht selten zu Suchtproblematiken, körperlicher Überanstrengung, erheblichem Zeit- und Termindruck. Oft resultieren aus einem Leben auf der Überholspur psychische Erkrankungen.

Eine Vielzahl von Künstler*innen und Sportler*innen stehen vor unauflösbaren Problemen, um Privatleben und Beruf in Einklang zu bringen. Schlimmer noch: Es existieren Suchtkliniken, die ausschließlich von dieser Klientel leben. Und in manchen Bereichen – wie dem American Football – sterben die Akteure statistisch auffallend früher als der Durchschnitt der Bevölkerung. Mozart erging es ähnlich: Er strebte danach, der beste Opernkomponist der Welt zu werden und wurde es. Doch entglitt ihm dabei die Kontrolle über Psyche und Körper. Im Ende bezahlte er das alles mit seinem Leben.

Erweitert betrachtet, ist unsere Gesellschaft auf Höchstleistungen fixiert, sei es in Sport, Kunst, Schauspiel oder Gesang. Wir, als Gesellschaft und auch die Medien, tragen eine Mitschuld daran, wenn Menschen aufgrund ihrer Sucht nach Applaus in zum Teil fatale Abwärtsspiralen geführt werden. Der fast hysterische Kult um die Besten der Besten nimmt immer mehr ungesunde Ausmaße an. Wäre es daher nicht für jeden von uns an Zeit, unser Verhältnis zu Ausnahmeleistungen zu überdenken und einen kritischeren Blick darauf zu werfen?

❚ Abschließende Betrachtung

Insgesamt ist Miloš Formans „Amadeus“ ein unbedingt sehenswerter Film. Der überwiegend an Originalschauplätzen in Prag gedrehte Film überzeugt durch opulente Bilder, durch seine Ausstattung und die pointierten Dialoge des Drehbuchautors. Es werden zutiefst menschliche Themen behandelt: Neid, die Suche nach Anerkennung und Liebe, Glaube und das Verhältnis zu Gott. Und wenn man sein Zimmer abdunkelt, vielleicht ein großer Bildschirm zur Verfügung steht, die Musik von Mozart erklingt und wir es dem Bewusstsein erlauben, in die Atmosphäre des Films einzutauchen, dann wird „Amadeus“ zu einem Erlebnis, das man nie vergisst.

Ein Beitrag von Andreas Krebs 

Weiterführende Links:
Amadeus (Film) – Wikipedia
Amadeus (1984) – IMDb (Internet Movie Database) 

Bilder:
• Titelbild: Amadeus (1984) – IMDb – Plakat (Ausschnitt) zum Film “Amadeus“ (1984), Director’s Cut 2002, © Copyright 2002 | Warner Brothers | All Rights Reserved
Amadeus (1984) – IMDb – Filmszene (Ausschnitt) mit F. Murray Abraham als Salieri
Amadeus (1984) – IMDb – Filmszene (Ausschnitt) mit Tom Hulce als Mozart
Amadeus (1984) – IMDb – Filmszene (Ausschnitt) mit F. Murray Abraham als Salieri und Tom Hulce als Mozart


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