Was ist das Gubbio? Wie helfen die Menschen dort Obdachlosen? Wie können wir helfen? Und viel wichtiger: Wie feiern Obdachlose Weihnachten?

Wir durften Sr. Christina Klein der Franziskanerinne interviewen und erfahren, wie das Projekt entstand und wie wir helfen können.

Danke an Sr. Christina Klein für ihre Zeit und ihre Arbeit. Informationen zu Gubbio und wie du helfen kannst, findest du am Ende des Interviews.


Interview der Alexianer Start GmbH und Sr. Christina Klein OSF(*), Gubbio Köln

 

Sr Christina Klein vor dem Eingang des Gubbio

Sr Christina Klein vor dem Eingang des Gubbio

Herzlichen Dank, dass wir hier im Gubbio sein dürfen, Schwester Christina Klein. Wir stellen heute ein Projekt der Obdachlosen-Seelsorge hier im Stadtdekanat Köln vor und fragen als Erstes einmal: Was genau kann man sich unter dem Gubbio vorstellen?

Sr. Christina Klein OSF: „Gubbio“ bezieht sich auf den Wolf von Gubbio. Wir wurden 2004 gegründet, doch eigentlich ging es schon vorher los. 1993 hat unsere Ordensgemeinschaft, die Olper Franziskanerinnen, hier einen Konvent eröffnet, eine der Mitschwestern ist durch die Stadt gegangen und hat sich mit Obdachlosen unterhalten. Sie ist auch in den verschiedenen Einrichtungen der Obdachlosenhilfe gewesen und hat mit den Menschen gesprochen. Daraus ergab sich, dass diese mehr über die Heilige Schrift wissen wollten. Und da hat die Mitschwester gesagt: „Suchen wir noch ein paar Leute, die auch Interesse haben und dann sprechen wir über die Bibel.“ Und so gab es dann Angebote im Lauf des Kirchenjahres, zu Weihnachten, zu Ostern … Dann kam ein Franziskaner dazu. Sie hatten zuerst keinen Raum, wo sie mit den Leuten hin konnten. Dann haben sie den damaligen Seelsorgeamtsleiter Heiner Koch, der jetzt Erzbischof in Berlin ist, angefragt und er hat gesagt: „Ich habe etwas für euch. Ich habe diese Kirche hier. Das ist ein ehemaliges Franziskanerkloster und die Kirche und die Räumlichkeiten, die stehen euch jetzt zur Verfügung.“ Das war 2004 und wir haben es nach der Legende des heiligen Franziskus „Gubbio“ genannt. Der Heilige ist durch Italien gestreift und in das Dorf Gubbio gekommen, wo ein Wolf sein Unwesen getrieben hat. Franziskus konnte mit Tieren reden und hat zum Bruder Wolf gesagt: „Bruder Wolf, wir finden es nicht gut, was du hier treibst. Wir machen jetzt einen Deal. Du bekommst von uns zu essen und wir lassen dich in Ruhe.“ Und so ist ein Ausgleich entstanden und diesen Ausgleich wollen wir auch versuchen, im Rahmen des Möglichen, zu schaffen. Dass Leute hierher kommen können, dass die erst einmal etwas zu essen bekommen. Anschließend kann man auch über andere Sachen sprechen, über Alltägliches, die soziale Situation, Möglichkeiten der Hilfe.

 

Das hört sich sehr gut an. Wie gestaltet es sich hier konkret?Portrait Sr Christina Klein

Sr. Christina Klein: Wir sind an zwei Tagen in der Woche nachmittags hier, Dienstags und Mittwochs von fünfzehn bis achtzehn Uhr. Natürlich bekommen unsere Leute erst einmal etwas zu essen, eine Tasse Kaffe, ein Stück Kuchen oder geschmierte Brote, oder auch eine warme Suppe; was wir gerade da haben. Und dann können die Menschen auch in die Kirche kommen, da sind Tische und dort können sie sich hinsetzen, können ihr Handy aufladen, einfach zur Ruhe kommen. Ein Pastoralreferent und seit Neuestem ein Streetworker unterstützen uns. Weihbischof Ansgar Puff wirkt auch hier in der Seelsorge und wir haben viele Ehrenamtliche. Am Dienstag sprechen wir über das Sonntagsevangelium und wenn der Herr Weihbischof da ist, haben wir eine heilige Messe, die besonders gestaltet ist.

 

Holzkreuz mit SpruchVon wie vielen Menschen werden diese Angebote wöchentlich wahrgenommen?

Sr. Christina Klein: Das ist unterschiedlich. Es wurden im Lauf der Zeit mehr Gäste. Wir haben zu Anfang des Monats weniger und am Ende des Monats regelmäßig mehr Menschen, die zu uns kommen. Insgesamt sind es zwischen fünfundzwanzig und vierzig Gäste. Wir merken im Laufe des Monats, wenn das Geld knapper wird, kommen mehr Leute und nehmen das Angebot eher wahr. Es gibt einen festen Kreis, der immer kommt, ein Stammpublikum, eine Stammgemeinde, die an den religiösen Angeboten großes Interesse hat. Wir sind offen für Protestanten, Orthodoxe, Gottsucher. Wer hierher kommt und mitfeiern möchte, ist herzlich willkommen. Niemand wird ausgeschlossen. Am Mittwoch um fünfzehn Uhr öffnen wir unsere Türen und dann kommt die Tafel. Es ist zwar nicht mehr so viel wie früher einmal, aber da können sich unsere Gäste etwas mitnehmen, das sie sonst nicht bekommen. Und dann feiern wir die heilige Messe oder haben andere Angebote. Wir schauen z.B. einen Film oder es gibt ein Format, das „Auszeit bei Gott“ heißt, dort wird in der Kirche Musik eingespielt und ein biblischer Impuls zum Nachdenken gegeben. Altaransicht der KircheSo finden Menschen, auf die viele persönliche Probleme einprasseln Zeit, Ruhe zu finden. An den anderen Tagen bin ich auf der Straße unterwegs, schaue am Bahnhof, dem Chlodwigplatz oder Eigelstein, am Neumarkt. Hauptsächlich in der Innenstadt. Wir werden auch angefragt, nach Menschen zu schauen, die auf der Straße leben. Wir kommen ins Gespräch, schauen, wie es den Menschen geht, wo und wie wir helfen können. Wir haben Kontakte mit den mobilen medizinischen Diensten, welche für Obdachlose zuständig sind und können so manches vermitteln.

 

Bieten Sie auch Übernachtungsmöglichkeiten an?

Sr. Christina Klein: Ja, vom 01. November bis 31. März können die Gäste hier an vier Nächten in der Woche schlafen, jeweils am Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag. Die übrigen Nächte übernehmen andere Kirchengemeinden. Das Projekt wird von Ehrenamtlichen getragen. Wir nehmen 15 Personen auf und wenn es kalt ist, auch noch mehr. Die Menschen stehen hier ganz klar im Mittelpunkt. Wir bereiten Abends eine heiße Suppe, Tee und Brötchen vor, um ca. 21 Uhr ist dann Einlass. Es gibt sowohl Schlafsäcke als auch Isomatten und die Gäste können sich ihre Schlafplätze aussuchen. Die ganze Nacht über sind Ehrenamtliche vor Ort, die deeskalieren können, wenn es zu grenzwertigen Situationen kommen sollte.

 

Holzschild mit einer Krone und den Worten Würde unantastbarWeihnachten steht nun vor der Tür. Können Wohnungs- und Obdachlose in dieser Zeit auch hier Hilfe erfahren? Gibt es spezielle Angebote für den Heiligabend und die Festtage hier im Gubbio?

Sr. Christina Klein: Am Heiligen Abend haben wir hier um 18.30 Uhr eine Heilige Messe, danach ein gemeinsames Essen. Es wird vom Heilig-Geist-Krankenhaus und Cateringfirmen gespendet. Dann gibt es eine gemeinsame Übernachtung im Kirchenschiff und morgens ein gutes Frühstück.

 

Kirchenfenster vor dem eine Friedenstaube hängtSie sagten, dass Ihr schönes Projekt seit Kurzem auch von einem Streetworker mitbetreut wird. Vermitteln Sie dann auch Menschen in Wohnprojekte und Anschlusshilfen?

Sr. Christina Klein: Es gibt leider kaum fließende Übergänge, weil es an allen Ecken und Enden an Wohnungen und Wohnraum für Obdachlose fehlt. Wir haben die Vorgebirgsstraße als Unterschlupf für bis zu 100 wohnungslose Menschen, dann gibt es die Winterhilfe in der Ostmerheimer Straße 220, mit viel Security und wenig Privatsphäre. Es zeigt sich eine Schieflage: wir haben in Köln vielleicht ca. 500 obdachlose Menschen, die keinen Ort für sich, keinen Wohn- und Lebensraum finden können.

 

Verteilt sich das auf Männer und Frauen ungefähr gleich oder gibt es Unterschiede?

Sr. Christina Klein: Obdachlosigkeit betritt Männer und Frauen, doch bei Frauen ist es häufig weniger offensichtlich, sie pflegen sich oft besser, oder sie kommen für die Möglichkeit eines Schlafplatzes in ungute Verhältnisse und Abhängigkeiten.

 

Raum in der Kirche, ein Mensch verteilt Geschirr auf TischenZuletzt haben wir noch eine etwas abstrakte Frage: Wir leben in einer Gesellschaft, zunehmend in einem wirtschaftsliberalen System, wo oft der eigene Nutzen im Vordergrund zu stehen scheint. Sie vertreten mit einem christlichen Menschenbild auch die Rechte derjenigen, die aus vielerlei Gründen nicht so leistungsorientiert sein können. Stehen Sie vor den großen, sozialen Fragen manchmal auch etwas hilflos da?

Sr. Christina Klein: Auf jeden Fall. Die Politik kürzt vielen sozialen Projekten Geld, und wir müssen schauen, das zu erhalten, was wir haben und machen. Wir können leider momentan keine weiteren, neuen Projekte übernehmen. Meine Intention ist, dass die Menschen durch unsere Hilfe ein bisschen froher werden. Die Bevölkerung würde ich in drei Gruppen aufteilen: manche sind total engagiert. Ohne Engagement wäre Köln nicht das, was es ist. Es gibt viele Ehrenamtliche, die ihr Herzblut geben. Dann gibt es manche, die nicht recht wissen: wie mit Obdachlosen umgehen? Hier müssen wir Aufklärung betreiben, dass es nicht unbedingt Geld sein muss, das gegeben wird. Ein Lächeln, ein belegtes Brötchen, eine warme Decke sind wertvoll … Und eine letzte Gruppe, die Obdachlose leider Gottes als Opfer für ihre Aggressionen ansehen, sie drangsalieren, treten und noch Schlimmeres … Menschen sind kein Müll! Der gesellschaftliche Ton ist in den vergangenen Jahren rauher geworden.

 

Mit diesen nachdenklichen Worten möchten wir schließen und danken Ihnen sehr herzlich für Ihre Zeit, Sr. Christina Klein.

Blick auf den Altarbereich

 

(*)Anmerkungen: OSF bedeutet Ordo Sancti Franzisci (Olper Franziskanerinnen)

Fotos: Ümit Sönmez

Homepage des Gubbio: Gubbio im Erzbistum Köln

Es besteht die Möglichkeit zur Spende.
Kontoinhaber: Gesamtverband der kath. Kirchengemeinden Köln
IBAN: DE 293 706 019 300 102 531 79
BIC: GEN ODE D1 PAX
Verwendungszweck: Obdachlosenseelsorge


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