[1] Titelbild: Charlie Chaplin als Calvero in „Rampenlicht“ 1952

Der US-amerikanische Film »Rampenlicht« aus dem Jahr 1952 ist eins der preisgekrönten Werke von Charlie Chaplin. Andreas Krebs (AlexOffice) betrachtet in seiner Filmrezension nicht nur den Film, sondern stellt uns darüber hinaus den weltberühmten Künstler und genialen Allrounder vor, der von seiner menschlichen Seite her gesehen allerdings auch umstritten war.


 

»Rampenlicht« – Eine Filmrezension

USA 1952 s/w | Regisseur: Charlie Chaplin


Die Story

Calvero ist ein alternder Varieté-Künstler. Einst war er berühmt. Mit seinem Namen warben die Plakate der renommiertesten Theater. Doch nun ist seine Kunst überaltet, wie er selbst. Niemand zeigt mehr Interesse für seine Bühnen­auftritte.

In dieser Krise rettet er einer jungen Tänzerin das Leben. Thereza hatte ihren Lebensmut verloren, wollte sich umbringen. Calvero kümmert sich rührend um sie, wie ein Vater um seine Tochter und gibt ihr Halt. Aber die junge Frau ist durch die psychosomatische Lähmung ihrer Beine gehandicapt: Sie vermag kaum noch zu gehen, geschweige denn zu tanzen.

Charlie Chaplin als Calvero und Claire Bloom als Thereza in "Rampenlicht" 1952

[2] Charlie Chaplin als Calvero und Claire Bloom als Thereza in „Rampenlicht“ 1952

Calvero versucht indessen wieder in seiner Arbeit Fuß zu fassen, erntet jedoch einen Misserfolg nach dem anderen. Am absoluten Tiefpunkt angelangt, ist es Thereza, die Calvero Mut zusprechen muss. Und in einem Moment höchster Erre­gung kann sie plötzlich wieder laufen ­– und tanzen.

Aus Dankbarkeit und Zuneigung zu dem alternden Künstler verleugnet sie ihre wahre Liebe: die Liebe zu dem jungen Komponisten Neville. Nach und nach erkennt Calvero das Falsche an ihrer beider Situation. Kurz entschlossen verlässt er Thereza, damit sie zu ihrem eigenen Weg zurückfinden kann.

Als Calvero im Ende doch noch für einen großen Auftritt gebucht wird, kommt es zu einem letzten Wiedersehen …


Charlie Chaplin – der Regisseur

Chaplin als Tramp, um 1917

[3] Chaplin als Tramp, um 1917

Charles Spencer Chaplin (1889 – 1977) erschuf eine ikonische Figur, die weltweiten Ruhm erlangt: den Tramp. In seiner Stummfilmzeit spielt Chaplin diesen Vagabunden, der sich mit Melone, kleinem Oberlippenbart, betont falsch sitzender Kleidung sowie mit Mut und Witz durchs Leben schlägt.

Weniger bekannt ist, dass Chaplin bereits ab 1915 bei allen seinen Filmen auch die Regie führt. Er gründet mit zwei weiteren Schauspielkollegen die Filmgesell­schaft United Artists, schreibt die Drehbücher. Er ist auch maßgeblich an der Filmmusik beteiligt. Allerdings kann Chaplin weder Noten lesen noch schreiben. Um Kompositionen zu verschriftlichen, singt er seine musika­lischen Ideen einem Team von Arrangeuren vor. Chaplin – ein Multitalent, ein Worka­holic, einer der kreativsten Köpfe, die Hollywood je gesehen hat. Zu seinen erfolgreichsten Produktionen gehören „Goldrausch“, „Lichter der Großstadt“, „Moderne Zeiten“ und „Der große Diktator“.

„Rampenlicht“ ist sein dritter Dialogfilm. Chaplin, für den Sprechen die Schön­heit des Schweigens zerstört, begibt sich auf neues Terrain. In seiner perfektionistischen Art erschafft er ein Drehbuch voll wunderbarer Dialoge und dramatischer Szenen. Trotzdem bleibt die Stummfilmkunst in „Rampenlicht“ stets spürbar, zum Beispiel dann, wenn die Kamera einfach nur den Gesichtsaus­druck des Schauspielers einfängt, der mehr aussagt als tausend Worte.


Chaplin und die Music Halls

"Chaplin's Music Hall – The Chaplins and their Circle in the Limelight" von Barry Anthony | Buchcover

[4] Buchcover „Chaplin’s Music Hall“ von Barry Anthony

Mit „Rampenlicht“ kehrt Chaplin in seine Kindheit zurück. Der Junge wächst zu einer Zeit in London auf, die längst in Vergessenheit geraten ist: London um das Jahr 1900 ist die Zeit der Music Halls. Über das gesamte Stadtgebiet verteilt gibt es mehr als 300 dieser kleineren und größeren Theater, wo eine bunte Mischung von Künstlern auftritt.

In diesen Lokalitäten kommen alle Gesellschaftsschichten zusammen. Teilweise wird dort getrunken und gegessen, und auf der Bühne – vor einem gemalten Hintergrund ­– erscheinen Comedians, Artist*innen, Magier, Sängerinnen und Sänger, Ballett­gruppen, Tierdressuren. Es geht recht derb zu. Im Gegensatz zum klassischen Theater besteht Blickkontakt und Interaktion mit dem Zu­schauer. Fällt eine Nummer durch, lässt man es den Künstler gnadenlos spüren.

Der Vater Chaplins, Charles Chaplin Sr., ist einer jener Varieté-Künstler und er ist Trinker. Er stirbt mit nur 37 Jahren an seiner Alkoholsucht, verschafft aber vorher seinem 8-jährigen Sohn das erste feste Engagement bei einem komödiantischen Ensemble. Die Figur des Calvero, die Chaplin so authentisch spielt, ist somit ein Konglomerat persön­licher Erfahrungen.

Der Film spiegelt jedoch ebenso die Lebenssituation Chaplins Anfang der 50er Jahre wider. Er hat mit existentiellen Problemen zu kämpfen: Die rechte Presse macht Stimmung gegen den liberalen Künstler. Er verliert eine Vaterschaftsklage. Antikommunistische Kräfte wollen ihn aus dem Land treiben, was schließlich auch gelingt. Sein letzter Film „Monsieur Verdoux“ floppt an der Kinokasse.

In seinem neuen Film arbeitet Chaplin daher gegen die Furcht vor einem weiteren Misserfolg an. Aber leider gelingen ihm nicht alle Szenen gleich gut: Die pantomimischen Auftritte im Film sind nicht überragend komisch, und die Varieté-Nummern wirken naturgemäß ein wenig altbacken. Anders als in seinen Stummfilmen steckt die Komik bei „Rampenlicht“ vornehmlich im Dialog. Und der ist richtig gut: Ge­würzt mit einer ordentlichen Portion Selbstironie, überrascht der Dialog mit pointier­ten Wendungen und lässt es nicht an Tiefgang fehlen.

Insgesamt wird bei Rampen­licht in jeder Szene, in jedem Detail – von den Kulissen bis hin zur Kleidung ­– Chaplins Liebe für diese besondere Zeit in seiner Jugend deutlich: die Zeit, in der die Music Halls den Lebenspuls des alten London bestimmten.


Charlie Chaplin und Claire Bloom in "Rampenlicht" (1952); Bild von United Artists - U.S. - ebay, Public Domain, via Wikimedia Commons

[5] Charlie Chaplin als Calvero und Claire Bloom als Thereza in „Rampenlicht“ 1952

Calvero und Thereza

Chaplin, der als ganz junger Mann mit einer englischen Künstlertruppe in die USA reist, dort in die aufstrebende Filmindustrie stolpert und innerhalb kürzester Zeit zum Superstar avanciert, dem Millionen zu Füßen liegen, kennt die Fallstricke des Showbusiness: die Furcht vor Anerkennungsverlust, den ständigen Druck, Neues zu erschaffen, das Auge der Presse stets auf die eigene Person gerichtet. Deswegen spielt Chaplin die Figur des Calvero mit einer Intensität, die erschütternd echt ist.

Calvero, der Clown, ist in einem negativen Kreislauf gefangen: Er glaubt, ohne Alkohol nicht mehr witzig sein zu können. Und er hat den Kontakt zu seinem Publikum verloren. In dieser kritischen Phase kommt es zur Begegnung mit Thereza (Therry). Die britische Schauspielerin Claire Bloom (geb. 1931) spielt die vom Leben enttäuschte Tänzerin mit ihren so unterschiedlichen Gefühlslagen mit größter Intensität. Ihre Genesung – als Thereza von ihrem Stuhl aufsteht und dem am Boden zerstörten Calvero seinen Lebensmut zurückgeben will – ist eine der zentralen Szenen in „Rampenlicht“. Die Freundschaftsbeziehung zwischen Calvero und Thereza zeigt eindrücklich, wie Menschen mit psychischen Einschränkungen ein besonderes Verhältnis füreinander entwickeln und sich gerade deswegen gegenseitig helfen können.


»Rampenlicht« – Filmfakten

Originaltitel: »Limelight« | USA 1952 | FSK 6

Regie | Drehbuch | Musik | Produktion | Schnitt: Charlie Chaplin
Schauspieler: Charlie Chaplin | Claire Bloom | Nigel Bruce | Buster Keaton | Sydney Chaplin u.a.
Filmlänge: 132 Min.
Auszeichnungen: British Film Academy Award (beste Newcomerin: Claire Bloom) | Oscar 1973 für beste Musik

Original-Plakat zur amerikanischen Kinoveröffentlichung von Charlie Chaplins Film „Limelight“ („Rampenlicht“) 1952

[6] Original-Plakat zur amerikanischen Kinoveröffentlichung von Charlie Chaplins Film „Limelight“ („Rampenlicht“) 1952


Chaplin – Licht und Schatten

Charlie Chaplin verdankt seine einzigartige Karriere dem Wunsch des Menschen, sich durch Lachen in einen glücklicheren Zustand zu versetzen. Dass Humor aber durchaus eine ernste Seite hat, wird in der Akribie deutlich, mit der Chaplin sich in die Arbeit stürzt. In „Lichter der Großstadt“ lässt er Szenen oft über hundertmal wiederholen ­– eine Tortur für alle Beteiligten.

Wer seinen Ansprüchen nicht gerecht wird, muss damit rechnen, vor versammelter Mannschaft scharf gerügt zu werden. Marlon Brando, der in Chaplins letztem Film die Hauptrolle übernahm, nennt ihn in seiner Autobiographie einen „sadisti­schen Menschen“. Natürlich: Wenn zwei Alphatiere wie Brando und Chaplin aufei­nan­dertreffen, ist Ärger vorprogrammiert.

Charlie Chaplin und Oona O'Neill 1944

[7] Charlie Chaplin und Oona O’Neill 1944

Aber auch Ex-Ehefrauen äußern sich keinesfalls wohlwollend. In einem Scheidungsprozess fallen die Worte „grausam“ und „unmenschlich“. In Peter Ackroyds Buch über Chaplin ist die Rede von rasender Eifersucht und vulgärem sowie aggressivem Verhalten gegenüber Frauen. Zudem ist die Vorliebe des Künstlers für extrem junge Frauen (die jüngste ist sechzehn Jahre alt) mehr als bedenklich.

Auf der anderen Seite: Für Chaplin spricht sein Werk. Er kreidet gesellschaftliche Missstände an, tritt stets für die Würde des Einzelnen ein. In vielen seiner Filme findet ein außergewöhnlich sanfter, verständnisvoller und sensibler Umgang der Geschlechter miteinander statt. Und gerade der Film „Rampenlicht“ ist ein Plädoyer für Lebensmut und ein Beispiel dafür, wie Menschen sich in Krisensituationen gegenseitig unterstützen können.


Trennung von Künstler und Werk

Das ist ein weltweit relevantes Thema, welches zum Teil sehr kontrovers diskutiert wird und in den letzten Jahren an Brisanz gewonnen hat. Vor allem durch die MeToo-Bewegung findet in dieser Hinsicht eine Sensibilisierung der Gesellschaft statt. Sexueller Missbrauch ist kein Kavaliersdelikt mehr. Mächtige Personen aus Film, Politik, Musik und Wirtschaft sind nicht mehr unangreifbar. Sie werden – wie im Falle Harvey Weinsteins – gerichtlich zur Verantwortung gezogen. Die Gesellschaft ist da auf einem sehr guten Weg.

Aber wie geht man mit Werken derjenigen Künstler*innen um, die schwere Straftaten begangen oder moralisch fragwürdiges Verhalten an den Tag gelegt haben? Sollte man die künstlerischen Schöpfungen dieser Menschen boykottieren oder nicht?

Hier einige Überlegungen zu diesem höchst komplexen Thema: Zum einen ist zu überprüfen, ob sich das Fehlverhalten des Künstlers in seinem Werk niederschlägt. Steht das Werk für sich und hat zudem noch positive Auswirkungen auf große Menschengruppen und die Kultur als Gesamtes, wäre es durchaus angeraten, Künstler und Werk zu trennen. Bei dem Marquis de Sade zum Beispiel ist es anders: Dort fallen die Ungeheuerlichkeit der Person und seine Romane zusammen. Boykott könnte daher angebracht sein.

Zum anderen sind Werke aus der Welt der Musik und des Films oft Gemeinschaftsproduktionen. Boykottiert man die Musik von Michael Jackson wegen der Missbrauchsvorwürfe, wird auch eine unschuldige Person bestraft: der Produzent Quincy Jones, der den Sound des Albums „Thriller“ entscheidend mitprägte. Wollte man alle Filme, die Harvey Weinstein produziert hat, in die Mottenkiste verbannen, würde eine erhebliche Lücke in die Filmsammlung gerissen. Am Ende aber liegt es in der Verantwortung und der Abwägung des Einzelnen, inwieweit er oder sie die Notwendigkeit eines Boykotts in Betracht ziehen möchte.

Im Falle Chaplins kann man zu der Überzeugung gelangen, dass sein Werk wertvolle Impulse setzt. Charles Spencer Chaplin gehört zu den ersten, die gesellschaftliche Missstände in Filmen thematisieren. Durch seine Popularität hilft er, das Kino zu einem globalen Medium zu entwickeln. Der Einsatz von Musik in vielen seiner Filmszenen gilt noch heute als revolutionär, und die Figur des ‚Tramps‘ gehört zum festen Bestandteil der modernen Kultur. Es wäre schade, auf all das verzichten zu müssen. Dass Chaplin ein ebenso nachdenklicher wie selbstkritischer Mensch gewesen ist, beweist auch sein Gedicht Als ich mich selbst zu lieben begann. Der Text findet sich im Internet. Reinschauen lohnt sich!


Abschließende Betrachtung

Trotz der zu lang geratenen Varieté-Einlagen ist Rampenlicht ein Meisterwerk der Filmgeschichte und gewinnt mit den Jahren international immer mehr Anerkennung. Er gehört zu den 100 Filmen, die man in seinem Leben nicht versäumt haben sollte. Rampenlicht besticht durch intelligent humorvolle Dialoge und sensible Schauspielkunst. Der Appell, sich in selbst hoffnungslos erschei­nenden Situationen mit Hilfe anderer durchzukämpfen sowie die immer wieder in die Geschichte eingestreuten philosophischen Grundideen regen zum Nach­denken an. Und was das Denken anbelangt: Dafür hat ja irgendwer unseren Kopf gemacht.

Ein Beitrag von Andreas Krebs


Quellen und weiterführende Links:

Bildquellen:

[1] Titelbild (Ausschnitt): Charlie Chaplin in einer Filmszene aus „Rampenlicht“ (1952) | Bild von Charlie Chaplin Studios | Public Domain |  Wikimedia Commons 

[2] Charlie Chaplin als Calvero und Claire Bloom als Thereza in „Rampenlicht“ 1952 | Screenshot aus YouTube: „Deutschlandfunk – 16.10.1952 Charlie Chaplins „Rampenlicht“ feiert Premiere“)

[3] Charlie Chaplin als Tramp | Foto von Zoller, Charles C. (1854-1934) – George Eastman House Publishing Trust | Gemeinfrei | Wikimedia Commons 

[4] Buchcover „Chaplin’s Music Hall – The Chaplins and their Circle in the Limelight“ von Barry Anthony | Charlie Chaplin – Official Website 

[5] Charlie Chaplin und Claire Bloom in „Rampenlicht“ (1952) | Bild von United Artists – U.S. – ebay | Public Domain | Wikimedia Commons 

[6] Original-Plakat zur amerikanischen Kinoveröffentlichung von Charlie Chaplins Film „Limelight“ („Rampenlicht“) 1952 | Von Unknown, likely a work-for-hire commissioned by the film studio | United Artists. – Heritage Auctions | Gemeinfrei | Wikimedia Commons 

[7] Charlie Chaplin und seine vierte Ehefrau Oona O’Neill 1944 | Screenshot aus YouTube: „Smile – (Charles Chaplin & Oona O’Neill) Nat King Cole


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