In ihrem Artikel »Hotlines, Passwörter und Kundennummern. Und speichern.« beschreibt Cornelia Schmitz aus dem AlexOffice ihren Frust mit Anmeldungen über den Computer.
Hotlines, Passwörter und Kundennummern. Und speichern.
Es gibt Namen für das Grauen, nämlich Hotlines, Passwörter und Kundennummern. Und speichern.
Im Grunde genommen: Computer.
Heute Morgen wollte ich mein 10minütiges Zeitfenster von guter Laune – nach Monaten und Jahren schlechter Laune – dazu nutzen, mich für eine Freizeitveranstaltung anzumelden. Nennen wir es Wandern oder Kochen, egal, ich sah jedenfalls einen Hoffnungsschimmer und ich dachte: ach, warum nicht. Und so begann ich die Prozedur des Anmeldens im Internet. Leider. Denn schon schloss sich das Gute-Laune-Zeitfenster.
Früher sprach man mit dem Fräulein vom Amt. Mit dem Mitarbeiter der Behörde. Der Dame von der Versicherung. Dem Hausmeister persönlich. Man redete, durchaus lange, gleich ob von face to face oder über‘s Telefon. Doch in der Neuzeit geht man nirgendwo mehr hin. Und es reicht nicht mehr, zum Telefonhörer zu greifen. Bei weitem nicht. Das handgeschriebene Ausfüllen eines Formulars ist vorbei; Handschrift ist ohnehin lange passé. Nein, ALLES, alles, läuft über Computer und Internet. Und das heißt: Ja oder nein, schwarz oder weiß.
Eins oder null, dazwischen: nichts.
Das ist schon mal das Eine, was mich am Computer nervt: Es gibt kein Vielleicht und kein Oder/Auch. Es gibt kein „Schau mer mal“ und kein „Ein bisschen was geht doch immer“. Das ist für immer vorbei.
Anmeldung also.
Sind Sie bereits Kunde bei uns? Wenn ja, loggen sie sich ein. Noch kein Kunde? Dann registrieren Sie sich bitte.
Oh no no no.
Ich weiß, worauf das hinausläuft: Sie wollen, dass man ein Passwort vergibt und danach vergeben sie eine Kundennummer. Gleich, ob du einen Antrag stellst, eine Auskunft willst, ob du dir ein Paar Socken kaufst oder ein Einfamilienhaus: Ohne PW und KN geht gar nichts mehr. Und alles will gespeichert werden. Passwort vergessen? Kein Problem, wir senden Ihnen ein neues zu. Bitte, aktiveren sie dazu den Link in Ihrer E-Mail. Ich rase zur E-Mail: Dong, die Sitzung ist abgelaufen. Bitte registrieren Sie sich als Neukunde.
Horror. Treibt mich in den Wahnsinn. Denn ich bin mit dem System der Zettelwirtschaft groß geworden. Überhaupt, ich bin alt. Den ersten PC hatte ich, da war ich 40, damals war ich sehr modern, gerade kamen die Faxgeräte auf; die sind heute hoffnungslos veraltet, stehen aber doch noch überall herum, gerne in Behörden und Arztpraxen, wo überhaupt niemand mehr ans Telefon geht, und wo sie auch keine E-Mail-Adresse rausrücken; ich frage mich ernsthaft, welcher Privatmensch ein Faxgerät zuhause stehen hat.
Wie ersinne ich also Passwörter und wie speichere ich sie? Nun, ich schwitze mir was unheimlich Kreatives aus und notiere den Geistesblitz auf einem Zettel, gerne auf einem Formular von einer Behörde, welches ich noch versenden muss. So war es jedenfalls, bis ein rettender Engel in mein Leben trat und mir einen Passwortgenerator zeigte. Für welchen man allerdings ein Masterpasswort brauchte. Und das sollte ich nie, niemals vergessen und auch nie, nirgendwo nicht aufschreiben. So. Seitdem lebe ich in einer permanenten Angst, Sie raten nicht, welcher. Dieser Passwortgenerator erzeugt nun die schlauen Geheimbegriffe und speichert sie auch, doch ich weiß nicht, wann. Am Anfang der Prozedur? Am Ende? Mittendrin? Das Tool fragt ständig: jetzt speichern? Oder jetzt? Wann wollen Sie speichern? Doch ich weiß es nicht. Was meinen rettenden Engel mittlerweile in den Wahnsinn treibt.
Zudem erzeugt der Generator Passwörter aus seltsamen kryptischen Zeichen, und wenn ich die Anmeldeinformationen an irgendeinem anderem Computer brauche, was mache ich dann? Genau, ich schreibe sie auf einen Zettel, den ich mit mir rumschleppe und der bis zur Unleserlichkeit in meiner Tasche rumgammelt, bis ich die Zeichen nicht mehr erkennen kann.
Hoffnungslos, ich bin ein hoffnungsloser Fall, ich muss es einsehen. Meine uralte Mutter ist ein ähnlich hoffnungsloser Fall mit ihrem Seniorenhandy, welches sie nicht mehr checkt, auf dem sie wild Zahlen eingibt und welches nun mich ständig nach PIN und dann PUK fragt. Grrr. Und wen frage ich? Meinen rettenden Engel, den armen Kerl.
Hotlines. Davon habe ich noch gar nicht gesprochen. Und doch sind es Hotlines, die mir final das Ende bereiten werden, ich fühle es. Ich fühle es in meinem Herzen, wenn ich dringend jemanden erreichen muss, dringend, und ich dann von einer Computerstimme empfangen werde und es 1000 Jahre dauert, bis man einen Menschen an der Strippe hat. Natürlich soll man auch das Passwort bereithalten, klar, zum Beispiel beim Handyanbieter meiner Mutter, die mich inzwischen für einen Komplettidioten halten.
Schön sind auch Hotlines, die einen zunächst in Sicherheit wiegen: „Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung“ und einem dann – nachdem man 1000 Jahre unwiederbringliche Lebenszeit damit verbracht hat, der mehr oder weniger nervtötenden Melodie zu lauschen, den Nackenschlag versetzen: „Leider haben wir derzeit ein unerwartet hohes Anrufvolumen. Bitte rufen Sie uns zu einem späteren Zeitpunkt erneut an.“
Und schön auch, wenn die Hotline alle drei Sekunden darauf hinweist, dass sie alle Dienstleistungen ganz einfach auch im Internet bereitstellen, wo man sie ganz einfach selbst erledigen kann. Wenn man sich bereits registriert hat, natürlich.
Es sei denn, man ist ein Neukunde. Dann denken Sie bitte daran, Passwort und Kundennummer zu speichern.
Ein Beitrag von Cornelia Schmitz
Titelbild (bearbeiteter Ausschnitt) von Thomas Breher auf Pixabay
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