In ihrem Artikel »Mehr Auto wagen« hält Cornelia Schmitz (AlexOffice) eine Wutrede, hervorgerufen durch zahlreiche Barrieren und Ärgernisse, mit denen sie bei Nutzung der KVB konfrontiert wird.


 

»Mehr Auto wagen« –

Die KVB, eine Wutrede.

Ich mach’s kurz, ich bin sauer. Stocksauer. So richtig bedient, Sie werden schon sehen. Am liebsten würde ich mir ein Auto kaufen, sofort, Diesel, Verbrenner, egal.

An die, die was zu sagen haben, an die, die doch das Klima retten wollen:

Leute, wenn Ihr wollt, dass die Bürger Bus und Bahn benutzen, dann gestaltet den ÖPNV so, dass die Menschen ihn auch benutzen WOLLEN; vor allem: ihn überhaupt benutzen KÖNNEN.

Rollstuhlfahrer, alte Leute mit Rollatoren, überhaupt alte und gebrechliche Menschen, seh- und gehbehinderte oder sonstwie eingeschränkte Personen – sie alle können die Kölner Verkehrsbetriebe vergessen. Weil die KVB sie vergessen haben. Mütter mit Kinderwagen dito.

Oh, Kritiker werden jetzt einwenden, die Öffentlichen täten doch einiges für die gehandicapten Mitmenschen: Mobilitätstrainings, Ansprechpartner, diverse Pläne und Broschüren, auch in leichter Sprache, Niederflurbahnen, Rampen in den Bussen, Hinweise für sehbehinderte Menschen, usw. usf.
Ja – das stimmt. Doch hierfür muss man sich sehr gut auskennen, Zugang zum Internet oder Hilfe haben, man muss trainiert werden, die Pläne müssen auch stimmen, vor allem: man muss seine Fahrt sehr gut planen. Und dann, ja dann…ist der Aufzug defekt. Sprich: Rolltreppen und Aufzüge müssten wesentlich häufiger repariert werden. Ich sehe immer die 80jährige vor mir, mit ihrem Rollator ohne Smartphone, frohgemut auf dem Weg in die Stadt. Und ich sehe, wie sie bereits am ersten Aufzug scheitert…

Was funktioniert bei den KVB? Wenn man Glück hat, der Fahrkartenautomat. Für das Verstehen der Informationen am Automaten allerdings, brauchst du wiederum höhere Bildung. Womit es für frisch Eingewanderte mit den Kölner Verkehrsbetrieben auch schlecht aussieht. Die Kurzstrecke kostet 2,20 €, damit kann man vier Stationen fahren, aber nicht von den KVB in die S-Bahn umsteigen. Für ein Einzelticket innerhalb diverser Städte und Gemeinden (Frechen, Euskirchen, z. B. – nur warum kaufe ich mir in Köln ein Ticket für Euskirchen?) verlangen sie 2,70 €. Wenn man in Köln oder Bonn unterwegs sein will, sind 3,20 € fällig.
3,20 €. Eine Fahrt.
Das komplette System kennt 7 Preisstufen; mit allen Sorten Tickets und dem ganzen Regel-Unterwerk bist du mit dem Lesen und Verdauen der Informationen genau dann fertig, wenn die Fahrt beendet ist. Damit sind die lernbehinderten – und natürlich armen – Menschen auch erledigt.

Die KVB haben es nicht so mit der Inklusion, das müssen wir leider feststellen. Oder anders: Grau ist alle Theorie, mag sie noch so schön in leichter Sprache verfasst sein.

Was bekommt man für sein Geld, wenn man jung, fit und steinreich ist, und daher mit den Öffentlichen fahren mag?
Naja – man trainiert weiter seine Fitness. Denn Rolltreppen und Aufzüge sind ja chronisch kaputt. Ich glaube, in meiner sehr lang zurückliegenden Kindheit funktionierten die Fahrsteige am Ebertplatz mal kurz, und dann – tja, dann hat man „Kunst“ daraus gemacht. Oder wie immer man die Gebilde nennen will, die jetzt am Ebertplatz rumstehen. „Übergangsnutzung“ sagen die KVB zu der Kunstlösung.  Nur dass der Übergang jetzt schon Jahre dauert (und die Rolltreppen zuletzt vor 40 Jahren funktioniert haben). Aber vielleicht trainieren die Jungen und Fitten ja auch ihr ästhetisches Empfinden?

Alles, wirklich alles, ist dreckig, so gut wie überall, außer vielleicht im Kölner Süden; Sürth oder Rodenkirchen. Saudreckig; der Boden übersät von Zeug, von dem man nicht wissen will, was es ist, die Handläufe schmierig – naja, die Alten, die sich festhalten wollen, können ja eh nicht mit den KVB fahren – an den Wänden sind Schmierereien, die sich Graffiti nennen, damit aber so viel zu tun haben wie Banksy mit Taubenkot.  Taubenkot, wie komm ich jetzt auf Taubenkot? Ach ja, der ist auch überall, vermutlich trainieren die Jungen und Schönen ihr Immunsystem.

Temperiert, im Sommer klimatisiert, ist natürlich gar nichts, ich tippe, die Fitten machen in der Bahn Hot-Yoga, Stichwort Immunsystem. Die mit dem hohen Blutdruck haben aber leider Pech gehabt.

Um das Training abzurunden, wiederholen die KVB gefühlt 50mal in einer Fahrt ihre Mental-Slogans:
„Bitte achten Sie auf Ihr Gepäck und nehmen Sie Ihre Wertsachen an sich“.
„Bitte machen Sie die Türen frei, damit wir unsere Fahrt fortsetzen können“.
Unübertroffen ist auch dieses Mantra:
„Bitte gehen sie im Wagen durch. So können wir alle Fahrgäste mitnehmen“.
Aaaaargh, KVB.
Stell dir vor – das wissen wir. Wir, deine Kunden, können es nur nicht umsetzen, nicht einmal die Fittesten unter uns, weil DU es versäumt hast, genügend Haltegriffe zu installieren, und weil die Waggons eben nicht zum Ende hin spitz zulaufen, so dass wir durchgehen könnten, weil dann in der Mitte ausreichend Platz wäre.

Die Haltestellen sind ein Kapitel für sich, dazu komme ich später noch.

Woher weiß ich das alles und fahre ich etwa selbst mit den Öffentlichen, obwohl ich weiß Gott nicht zu den Jungen, Reichen und Schönen gehöre?

Ich nutze die KVB zähneknirschend, viel lieber würde ich Auto fahren, das geht aus diversen Gründen leider nicht, Fahrrad dito. Der Arbeitgeber zahlt ein 49 € Ticket, danke dafür. Ich nutze die KVB noch, aber nur, wenn ich unbedingt muss, sonst gehe ich zu Fuß:
Denn neben der schieren Unmöglichkeit der Bahnnutzung für die schon genannten Gruppen gibt es noch eine weitere Personengruppe, die kaum mehr mit den Öffentlichen fahren kann:
Das sind nämlich die ängstlichen Menschen. Menschen wie ich. Phobiker, Chroniker, depressive und reizüberflutete Menschen kommen mit den Gegebenheiten schlicht nicht mehr zurecht.

Früher bin ich gerne mit Bus und Bahn gefahren, ja tatsächlich, ich sah aus dem Fenster und entspannte mich; mir gefiel vor allem auch das Hop-on-Hop-off-Element, und dass die ewige Parkplatzsuche entfiel. Doch das ist lange vorüber.

Mein Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum ist so gut wie nicht mehr vorhanden und damit komme ich zu den Haltestellen: Ich gehöre selbst in gewisser Hinsicht zu den Ausgegrenzten, und mir tun die Leute leid, wie sie an den Stoppstellen Drogen konsumieren oder einfach preisgegeben sind. Manche, Viele, wirken so verletzlich, nackt und bloß, dass ich den Blick auf die Menschen kaum aushalte. Andere betteln, verzweifelt, stellenweise aggressiv. Die Fahrt über den Neumarkt, den Friesenplatz, den Ebertplatz und viele andere Plätze, wird für mich zu einer Prüfung.
Die Dealer tun mir nicht leid und ich verstehe beim besten Willen nicht, wieso man die Dinge in dieser Weise schleifen lässt. Vielleicht sollen die Jungen und Fitten hier Ellbogendenken trainieren?

Der öffentliche Raum, noch so ein Kapitel für sich. Die Bahn selbst, der Innenraum, das ist auch ÖFFENTLICHKEIT. Und doch tun viele Passagiere so, als wären sie zuhause. Schminken und kämmen sich, gähnen mit offenem Mund, rotzen auf den Boden, quatschen stundenlang in ihr Handy und bohren dabei in der Nase, alles schon gesehen.

Ich krieg die Krise und es ist mir piepegal, wenn ich mich anhöre wie meine Oma:
Ein Hauch von Manieren wäre angebracht. Höflichkeit ist es, dem Anderen unschöne Anblicke, Gerüche oder Geräusche zu ersparen. Es wäre schön, wenn die reichen, schönen und fitten KVB-Nutzer das trainieren würden.

So. Habe fertig. Was erlaube KVB? Was wolle der ÖPNV? Gebt mir bitte Bus und Bahn zurück.

Und zwar so:

  • Die Aufzüge und Rolltreppen müssten wesentlich häufiger gewartet und instandgesetzt werden.
  • Busse und Bahnen sollten sauber und angenehm temperiert sein.
  • Der Fahrtakt müsste sich stark erhöhen (und von der Pünktlichkeit habe ich noch gar nicht gesprochen).
  • Die Haltestellen müssten sauber und einladend sein.
  • Die Bahnen sollten an den Enden der Waggons konisch zulaufen, so dass in der Mitte mehr Platz wäre und man tatsächlich nach hinten durchgehen könnte. Im Moment haben alle Stress, weil sie denken, sie kämen nicht mehr raus oder rein.
  • Und: Liebe Mitmenschen in der Bahn: Wenn ihr mal daran denken würdet, dass ihr nicht allein auf der Welt seid, wäre das schön.

So. Wenn all das läuft, fahre ich gerne mit den KVB.
Wenn nicht, kauft mir bitte ein Auto.
Ich nehme auch eins mit Wasserstoffantrieb.

Ein Beitrag von Cornelia Schmitz 

Bild: Composing (B. Minnich, AlexOffice) mit Fotos von Leonard Müller auf Unsplash, von Nik auf Unsplash und dem Logo der KVB auf Wikimedia Commons


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