Unser Kollege Andreas Haugeneder aus dem AlexOffice Rodenkirchen informiert uns in seinem Artikel »Als Schöffe bei Gericht – Meine persönlichen Erfahrungen« über das Amt von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern und erinnert sich an Fälle, in denen er selbst als Schöffe in den Gerichtsverhandlungen dabei war.  


 

Als Schöffe bei Gericht – Meine persönlichen Erfahrungen

Was ist ein Schöffe?

Schöffen sind ehrenamtliche Richter und Richterinnen. Sie wirken in der Hauptverwaltung als Richter*innen mit. Ihre Aufgabe ist es, zusammen mit einem oder mehreren Berufsrichter*innen Recht zu sprechen.

Von 2019 – 2023 war ich beim Landgericht Köln Hilfsschöffe (eine Art Ersatz-„Spieler“, der zum Einsatz kommt, wenn ein anderer Schöffe ausfällt). Ich habe bei verschiedenen Kammern mitgewirkt.

Zum besseren Verständnis: Bei den Landgerichten in Deutschland gibt es verschiedene Kammern. „Als Strafkammern bezeichnet man die in der Berufungsinstanz tätigen kleinen und die in erster Instanz zuständigen großen Kammern der Landgerichte im Strafverfahren.“ (Wikipedia)

Die Kleine Strafkammer behandelt in der Regel Fälle, die in der ersten Instanz vom Amtsgericht verhandelt wurden, zum Beispiel Verkehrsstraftaten und Einfache Körperverletzungen (ohne schwere Verletzungen).

Als Schöffe habe ich aktiv an der Urteilsfindung mitgewirkt. Ein Schöffe hat die gleichen Rechte und Pflichten wie ein Berufsrichter (Stimmrecht). Wenn alle Fakten, Beweise und Zeugenvernehmungen abgeschlossen sind, zieht sich die Kammer zur Beratung zurück. Im Richterzimmer werden die Fakten, Beweise und Zeugenaussagen besprochen (bewertet), und es kommt dann zu einem gemeinsamen Urteil. Dieses wird vom Vorsitzenden verkündet.

Meine persönlichen Erfahrungen

  • Ich war in beiden Kammern zusammen mit einem weiteren Schöffen eingesetzt. Zwar kann ich mich nicht mehr an alle Prozesse erinnern, doch einer meiner „Fälle“ ist noch gut in meinem Gedächtnis. Es handelte sich um einen Raubüberfall, in dem es um Drogen (THC) ging. Nach Bewertung der Beweise und Zeugenaussagen wurde der Angeklagte freigesprochen. Die Beweisaufnahme ergab, dass dem Angeklagten die Tat nicht nachgewiesen werden konnte. (Im Zweifel für den Angeklagten.)
  • Eine weitere Verhandlung, in der ich mitgewirkt hatte, war der Tatvorwurf „Räuberischer Betrug“ (unter Waffengewalt oder Androhung kommt es dabei zu einem Betrug – später mehr dazu). Doch in der laufenden Verhandlung ergab sich durch widersprüchliche Zeugenaussagen und weitere Beweise, dass kein Raub vorlag, sondern nur Betrug. Da die Angeklagten ihre Schuld zugaben und auch für den angerichteten wirtschaftlichen Schaden zum Teil eine freiwillige Wiedergutmachung leisteten, kamen sie am Ende mit einer Bewährungsstrafe davon.
  • In meinem letzten Fall, an dem ich mitgewirkt habe, ging es um die Feststellung der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten. In der Großen Strafkammer hatten wir (3 Berufsrichter und 2 Schöffen) die Aufgabe festzustellen, ob der Angeklagte für seine Straftaten verantwortlich war oder nicht. Dazu wurde ein Gutachten eines Sachverständigen (z. B. vom LVR), in diesem Fall eines Forensischen Psychiaters vorgestellt (Wikipedia: Forensische Psychiatrie). Außerdem wurden die Zeugenaussagen angehört und Videos angesehen. Nach einer intensiven Beratung der Kammer wurde dann  das Urteil gefällt. Der Angeklagte wurde als nicht schuldfähig befunden und wurde zur Unterbringung in eine Klinik für kranke Straftäter eingewiesen, für mindestens zwei Jahre. Da das Urteil zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtsgültig war, hätte der Rechtsanwalt des Angeklagten die Möglichkeit gehabt, in Revision (2. Instanz) zu gehen.

Die Tätigkeit als Schöffe ist sehr interessant, aber auch anstrengend und eine verantwortungsvolle Aufgabe. Ich kann nur empfehlen, sich selbst zur Wahl eines Schöffen zu stellen. Eine Amtszeit geht 5 Jahre.

Erklärungen und weiterführende Links

Ein Beitrag von Andreas Haugeneder (AlexOffice Rodenkirchen)

Fotoquelle (bearbeiteter Ausschnitt): Justiz NRW auf www.lg-koeln.nrw.de


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