Pandemie Modus – das muss nicht nur während Corona sein, denn oftmals drängen uns Erkrankungen in ein solches Leben, zum Beispiel Asperger Autismus. Circa zwei bis drei Prozent sind davon betroffen. Doch wie fühlt sich der Alltag an? In diesem Beitrag berichtet Werner Otto von Boehlen-Schneider von seinem Leben.

 

Ausgeschlossenheit als Lebensgefühl – Asperger Autismus

Party machen, Freunde treffen, Konzerte besuchen, unverbindlich das Leben genießen … ist nicht … wegen Corona – aber für mich läuft leider schon das ganze Leben im Pandemie-Modus. Feiern, die neue Band live sehen? Sorry, akustische Hypersensitivität, Panikattacken bei scheinbar unkontrollierten, keinem Schema folgenden Gruppenerlebnissen und, wenn ich ganz ehrlich sein soll: gar nicht so interessant, Mehrwert schaffend.

Freunde treffen – doch welche? Uncoolness, Unfähigkeit zum Smalltalk (Spontanität und ich werden keine Freunde mehr), stattdessen Ritualisierungsbestrebungen, Tagesroutine, Affinität zu Symmetrie, Ordnung, langen Spaziergängen, mäeutischem Grund-Unbehagen; In-mich-hinein-Horchen, existenzphilosophisch-symbolistische Lyrik schreiben, die nach dem platonisch Wahren, Guten und Schönen fragt, doch durch Selbstzweifel immer wieder aus der ruhigen Bahn geworfen: so sieht mein Leben aus.

Eher ein verträumt flanierender Idealist des Fin de Siècle als leistungsorientiertes Humankapital, den Erfordernissen meiner Zeit nicht gewachsen, sondern stille Dialoge mit Alten Meistern in Museen führend, von einem Menuett getröstet und bestärkt, nach Urgrund hinter Dingen fragend – wenn das nicht „komisch“ ist, Ablehnung, Spott und Widerwillen erzeugt.

Doch ich habe mir meine Bedürftigkeiten nicht ausgesucht, bin Asperger-Autist. Wäre ich nicht gern wie ihr? Ja und Nein, es ist eine Seinsweise mit eklatanten Einschränkungen, doch ab und an von bestirnten Momenten durchzogen, einem Willen zu Form, Ausdruck, Beständigkeit, Treue. Liegt darin nicht auch Liebenswürdigkeit?

Werner Otto von Boehlen-Schneider  Werner Otto von Boehlen-Schneider

 


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