In der Reihe »Berühmte Persönlichkeiten mit psychischer Erkrankung« stellt das Social Media Team des AlexOffice einige betroffene Menschen vor, die in der Öffentlichkeit stehen bzw. standen. In einzelnen Beiträgen erfahrt ihr, wie die jeweiligen Persönlichkeiten selbst und wie die Gesellschaft mit dieser Art von Erkrankung umgehen.
Lest hier den Artikel zu Robert Walser.
»Berühmte Persönlichkeiten mit psychischer Erkrankung« – Robert Walser
Robert Walser – ein verschwiegenes Genie
Lieben Sie Walser, Robert Walser? Oftmals antwortet uns hierauf nur fragende Stille. Der Schriftsteller, über den Stefan Zweig einst rezensierte: „In der Kunst entscheiden nicht die Dimensionen, sondern die innere Vollkommenheit – und dass man auch im engsten Rahmen vollkommene Prosagebilde zu schaffen vermag, ist in deutscher Sprache selten schöner bezeugt worden als im Werk des viel zu wenig bewunderten Schweizers Robert Walser“ scheint weitgehend vergessen; auch wenn Franz Kafka, Robert Musil und Kurt Tucholsky recht viel von Talent wie Ausdruck des im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts schreibenden Mannes hielten.
Der gebürtige Berner gilt als wichtiger literarischer Vertreter des Übergangs von goetheschen Epigonen des Historismus und des Naturalismus zur Moderne. Erste Erfolge traten mit den „Geschwister Tanner“ (1907), „Der Gehülfe“ (1908) und „Jakob von Gunten“ (1909) ein; sie thematisierten Unangepasstheiten der Protagonisten gegenüber der bürgerlich-wilhelminischen Gesellschaft, wie daraus entstehende Leiden an Mit- und Eigenwelt. In heiterer, teilweise hintergründiger Erzählweise wurden pessimistische Realitäten, gelegentlich märchenhaft verbrämt, geistige Engen, soziale Ungleichheit und Not, Hass wie Willkürakte, ins Wort gebracht, welche sich auch aus Alltagsbeobachtungen speisten, die der zwischen 1905 und 1913 in Berlin Lebende als Angestellter und Teil des Kleinbürgertums am eigenen Leib erfuhr. Mit leichter Feder wurden gelegentlich, wie Traumsequenzen wirkende literarische Texte, innerhalb weniger Wochen niedergeschrieben, Schwalle aus der Überfülle eines bewegten Geistes − was auch manche stilistischen Mängel erklären hilft.
Nach dem 1. Weltkrieg entstanden Robert Walsers größere Skizzen, der erst postum erschienene Roman „Der Räuber“, „Die Rose“, Beiträge für Zeitschriften und Anthologien, Gedichte. Während der zweiten Hälfte der 20-er Jahre litt der wieder in die Schweiz Emigrierte zunehmend an Angstzuständen und Halluzinationen, − ungewiss bleibt, ob dies ursächlich auf den Konsum illegaler Substanzen zurückgeführt werden kann − 1929 folgten Verwahrlosung, Stimmenhören, die dauerhafte Einweisung in Heilanstalten, zuerst in Waldau bei Bern, später Herisau, wo Robert Walser als introvertierter, händische Arbeiten verrichtender Klient der Psychiatrie bis zu seinem Tod am Weihnachtstag 1956 (ähnlich wie eine Figur in „Geschwister Tanner“ aufgefunden) Jahrzehnte des Schweigens, der Selbstherabwürdigung seiner finanziell nie tragenden, doch wichtigen literarischen Arbeiten, verlebte.
Robert Walsers Schriften sind von Ehrbegriffen wie Idealen durchdrungen und lohnen, von uns Heutigen in die Hand genommen zu werden, damit vielleicht ein wenig mehr geschehen möge, was Hermann Hesse formulierte: „Wenn solche Dichter wie [Robert] Walser zu den führenden Geistern gehören würden, so gäbe es keinen Krieg“.
Eine Beitragsreihe des AlexOffice Social Media Teams
Text und Grafik: L.S.
Hier geht es zu weiteren Artikeln aus der Reihe »Berühmte Persönlichkeiten mit psychischer Erkrankung«:
Auch du kannst deinen Text, deine Erfahrung, dein Gedicht oder auch deinen Podcast bei uns einreichen. Unter Kontakt findest du unsere Ansprechpartner. Schick uns dein Werk und wir veröffentlichen es.
Vielen Dank, dass du in dem dir eigenen, eleganten Schreibstil an Walser erinnert hast. Es ist schön, dass er eine Spur hinterlassen hat.