»Cannabis und Ketamin – hilfreich bei Depression, PTBS und Angst?« … das fragt (sich und uns) unsere Kollegin Cornelia Schmitz aus dem AlexOffice. Sie beschreibt hier ihre eigenen Erfahrungen mit dieser Thematik und gibt die Ergebnisse ihrer umfangreichen Recherchen an uns weiter. Ein Feedback und Meinungsäußerungen von uns Leser*innen sind ihr Wunsch

Da es sich um sensible Inhalte handelt, setzen wir an dieser Stelle eine ***Triggerwarnung***.


 

»Cannabis und Ketamin – hilfreich bei Depression, PTBS und Angst?«

Seit einiger Zeit wird der Einsatz von Cannabis und Ketamin bei der Behandlung von psychischen Störungen, vor allem bei Depressionen und Angststörungen, diskutiert, wie auch das „Microdosing“ von LSD. Vormals als „Drogen“ bekannt und verteufelt, sollen die Wirkstoffe nun als segensreiche „Medikamente“ gesehen werden.

Zeit, sich diese Sache einmal etwas näher anzuschauen.

Eines vorneweg: Ich schreibe aus dem Blickwinkel einer Patientin und interessierter Laiin, bin aber keine medizinische Expertin. Mehr oder weniger werde ich im Folgenden versuchen, zusammenzufassen, was der Sachstand auf dem Gebiet ist. Um mein Wissen zu vertiefen, würde ich mich bei diesem Text sehr über Kommentare freuen, vor allem, wenn jemand schon einmal mit „Gras“ oder „K“ behandelt worden ist.

Reden wir zunächst über Cannabis, das demnächst legalisiert werden soll (entsprechende Gesetze sind in Vorbereitung) und das bereits heute als Medikament gegen Schmerzen und auch als Waffe bei Krebs eingesetzt wird. Sicher hat der/die ein oder andere schon einmal illegal Gras geraucht.

Ich habe das vor Jahrzehnten auch getan und zwar genau zweimal: Das erste Mal war es wunderschön: ich konsumierte gemeinsam mit Freunden und wir hatten alle einen stundenlangen Lachflash – (es war ja soooooo lustig, in die Bäckerei zu gehen). Das zweite Mal war die Reise so etwas wie ein Horrortrip: Die Wände der U-Bahn rückten auf mich zu und schlossen mich ein. Verschwitzt und voller Angst kam ich zu Hause an und schwor mir, nie wieder eine Droge anzurühren.

Gartentörchen und Stahltüren

Hier gleich eine Warnung: Aus fachlicher Sicht (Psychiater/innen, Pflegepersonal im Krankenhaus) wurden wir (Patient/innen) lange Zeit vor dem Kiffen gewarnt, speziell bei einer Neigung zu Psychosen und bei entsprechender genetischer Vorbelastung. Dieser Warnung schließe ich mich aus meiner (unmaßgeblichen) Meinung heraus an: Ich habe in der Psychiatrie etliche Mitpatient/innen kennengelernt, die vom Kiffen nicht mehr runtergekommen sind und/oder die auch später zu stärkeren Drogen gegriffen haben. Meiner Meinung nach ist bei Menschen mit Schizophrenie oder schizoaffektiven Störungen – bei der Neigung zu Psychosen also – die Tür, hinter der Träume und auch die Alpträume sind, ein einfaches Gartentörchen, wo Andere eine solide Stahltüre haben, die beim Kiffen fest verschlossen bleibt. Wenn man also ohnehin schon dazu neigt, alles Mögliche größer, schöner, komplexer und wundervoller (oder auch schrecklicher) zu sehen als die Mitmenschen, rate ich von Cannabis ab.

Aber was ist mit dem Wirkstoff bei einer Angststörung, PTBS oder Depression?

Man unterscheidet im Marihuana die Bestandteile des berauschenden (psychoaktiven) THC (Tetrahydrocannabinol) und des beruhigenden CBD (Cannabidiol). Dem Cannabidiol sagt man eine beruhigende, schlaffördernde und angstlösende Wirkung nach. CBD (etwa in der Form von Ölen, Gummibärchen oder Cremes etc.) ist bereits jetzt überall erhältlich, allerdings zu einem stolzen Preis und es ist keine Kassenleistung (wie Cannabis auch nicht). Es ist legal, wenn es aus Nutzhanf gewonnen wird und weniger als 0,2 Prozent THC enthält.  Sollte der THC- Wert höher sein und der Inhaltsstoff aus Marihuana gewonnen werden, muss eine Verordnung vom Arzt erfolgen. Das heißt: Die Tropfen, die man in Lifestyle Läden zurzeit kaufen kann, enthalten weniger als 0,2 Prozent THC.

Ob CBD (oder Cannabis) irgendwann einmal eine Kassenleistung sein wird, sprich vom Arzt auf Rezept erhältlich ist und von der Kasse bezahlt wird, weiß ich nicht. Ich selbst habe aber CBD ausprobiert, d. h. ich habe es mit einem 15prozentigen CBD Gehalt in einem Shop in der Kölner Südstadt gekauft und abends eingenommen. Und festgestellt, dass ich – nichts gespürt habe. Rein gar nichts, null Wirkung, weder schlaffördernd, noch angstlösend oder beruhigend. Auch nicht berauschend, was ich auf den geringen THC -Gehalt zurückführe. Ein Bekannter berichtete von einem berauschten Zustand nach der Einnahme einer CBD-Paste; er habe allerdings eine hohe Dosis eingenommen; gut möglich also, dass darin der THC -Gehalt höher war. Er sprach auch von einem „Kater“ am Tag danach, also von Müdigkeit, Lustlosigkeit und Abgeschlagenheit.

Cannabis war, wie alle Drogen, lange Zeit verteufelt. Hinzu kommt, dass die Patente auf Cannabis abgelaufen sind, und die Pharmaindustrie mit Cannabiswirkstoffen wenig verdienen würde. (So habe ich es jedenfalls einmal von einem Arzt gehört). Die Studienlage zu Cannabis bei psychischen Erkrankungen ist einigermaßen dünn; besser erforscht ist der Wirkstoff bei chronischen Schmerzen. Gewarnt werden muss auch vor synthetischen Cannabidoiden – das sind künstlich hergestellte Substanzen (Kräutermischungen) mit ähnlicher Wirkung wie pflanzlicher Cannabis; allerdings ist die Wirkung nicht immer ähnlich und kann von Mal zu Mal anders ausfallen, weil niemand so genau weiß, was in den Substanzen enthalten ist.

Soweit zu Cannabis. Wie gesagt, freue ich mich über Kommentare bzw. auf etwaige Ansichten und Erfahrungsberichte (vorsichtshalber nur Erfahrungen mit CBD, denn Cannabis ist derzeit noch illegal).

Gehen wir weiter zu Ketamin.

Was ist das? Zunächst einmal ein Narkosemittel, welches ein Pferd in den Schlaf bringt. Zudem hat es eine berauschende Wirkung. Auf der Straße wird es als Special K, Vitamin K, Kate oder K verkauft.

Mir war es als eine ausgesprochen starke und gefährliche Droge bekannt. Weswegen ich aus allen Wolken gefallen bin, als mein Psychiater lässig davon sprach, dass „wir es doch gegebenenfalls einmal ausprobieren könnten“. Dann habe ich im Internet recherchiert und gesehen, dass Ketamin bereits als Antidepressivum mithilfe einer Infusionstherapie eingesetzt wird; entsprechende Erfahrungsberichte lassen sich bei YouTube abrufen. In den Kommentaren unter den Beiträgen findet man auch entsprechende Erfahrungen von Konsumenten.

Vor langer Zeit (etwa einem Jahrhundert) setzte man sogar Heroin zur Behandlung psychischer Erkrankungen ein; Heroin und andere heute als Drogen bekannte Wirkstoffe nannte man damals Heilmittel. Sigmund Freud, zum Beispiel, war ein bekannter Kokainist (rückte aber später davon ab). Man setzte die Stoffe solange ein, bis man ihr Suchtpotential erkannte, dann setzte man sie ab. Und manchmal ist das bis heute so.

In Amerika

Vielen bekannt ist die Opioid-Krise in den USA; dort ist der Ausdruck „from prescription to addiction“ ein stehender Begriff und bedeutet so viel wie „von der Verschreibung zur Sucht“. In Amerika wurde vielfach das Schmerzmittel „Oxycontin“ verschrieben, welches mit geringer Suchtwirkung beworben worden war. Die Suchtwirkung war aber doch deutlich höher, weswegen es die Ärzte dann nicht mehr verordneten und die Patienten plötzlich auf sich allein gestellt waren. Deswegen griffen sie auf dem Schwarzmarkt zu Heroin und Fentanyl. Dies hat schon zu zehntausenden Todesfällen geführt.

Und das ist einer der Gründe, weswegen ich dem Ketamin gegenüber skeptisch bin. Was, wenn es ähnlich wie bei Oxycontin abläuft (oder damals bei Heroin), sich ein Suchtpotential entfaltet und du irgendwann ein großes Problem am Hals hast?

Ketamin als Medikament?

Ich habe mir die Beiträge auf YouTube angeschaut, in denen Ketamin (auch in Deutschland) als Antidepressivum eingesetzt wird. Der Wirkstoff wird als Infusion gegeben, die Patienten befinden sich in einem angenehmen Raum auf einer bequemen Liege und hören Musik, ein Arzt (oder medizinisches Personal) ist in greifbarer Nähe. Die Infusionen gibt es in regelmäßigen Abständen, etwa einmal im Monat. Im Anschluss berichteten die Konsumierenden von einem überwältigenden Gefühl großer Verbundenheit zum Kosmos, jeder sei mit jedem verbunden und sie könnten das „große Ganze“ erkennen.

Und dieses – wunderschöne – Gefühl, Leute, das kenne ich. Und zwar habe ich es, kurz bevor der Krankenwagen mich in die Psychiatrie schafft. Es ist groß, es ist wundervoll, es ist friedlich und entspannt und unglaublich und unbeschreiblich und meine Ärzte sagen Manie dazu.

Ja – ich bin skeptisch. Manche Konsumenten berichten auch von einem „K-Hole“, einer Art Nahtoderlebnis, einer Tunnelerfahrung und einem Licht am Ende des Tunnels, einem Losgelöstsein vom Körper. Das macht mir Angst. Dazu kommen die physischen Nebenwirkungen, wie etwa irreparable Schäden an Harntrakt und Nieren oder auch Schäden am Gehirn.

Viele Youtuber sprechen allerdings auch von guten Erfahrungen und einem langsamen Nachlassen der Depressionen. Und wenn man jahrzehntelang an schweren, nicht behandelbaren Depressionen leidet, greift man zu jedem Strohhalm, denn mit diesen Depressionen ist das Leben praktisch gar nichts wert. Das verstehe ich und auch ich würde ggfs. einen solchen Wirkstoff probieren, wenn ich suizidal mit einem Plan wäre.

Doch als mein Arzt mir Ketamin vorschlug, da dachte ich: What the Heck. Wenn sie dir das geben wollen, was haben sie dir in all den Jahren zuvor noch alles gegeben? Und zwar zwangsweise, quasi mit vorgehaltener Waffe?

Clean werden

Am liebsten würde ich es, ehrlich gesagt, mit einem kompletten Ausstieg aus all den Psychopharmaka versuchen. Ich würde sehr gern vollkommen sauber leben. Das ist meine ganz persönliche Sehnsucht. Nur wie aussteigen?

Im Grunde, und das ist jetzt kein Witz oder arrogant gemeint, bräuchte ich irgendein edles Privatsanatorium in den Bergen. Ich stelle mir Ruhe vor, auf jeden Fall ein Einzelzimmer, viel Bewegung, Entspannung, wenig Mitmenschen und KEINEN ZWANG UNTER KEINEN UMSTÄNDEN. Denn vor allem letzteres war es, was mich in der Psychiatrie traumatisiert hat und dazu geführt hat, dass ich immer depressiver und ängstlicher wurde, dass mir das Selbstvertrauen verloren ging. Und entsprechend zu Medikamenten gegriffen habe. Ich weiß, ein solches Privatsanatorium ist viel verlangt und vermutlich nicht finanzierbar. Doch die Psychiatrie, bei allem guten Willen und Wissen und durchaus nettem Personal, schafft leider manchmal die Probleme, die sie dann heilen will.

Mittlerweile, nach über 30 Jahren Behandlung, habe ich das Gefühl, dass mein körpereigenes Belohnungssystem ziemlich ruiniert ist. Und eigentlich möchte ich nicht immer weiter immer stärkere Medikamente oder Drogen draufpacken.

Was sagt Ihr zu alldem?

Ein Beitrag von Cornelia Schmitz


Titelfoto (Ausschnitt) von NickyPe auf Pixabay 


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