Kurt Cobain gilt als ein Ausnahmekünstler seiner Zeit. Mit seiner Band Nirvana war er bis zu seinem viel zu frühen Tod viel beachtet. – J. T. aus dem AlexOffice hat sich eingehend mit diesem bemerkenswerten Mann beschäftigt. Lest hier über das Leben und Wirken von Kurt Cobain.


 

…he came as he was…

Kurt Cobain

Kurt Donald Cobain (so der bürgerliche Name), ein kleiner, zierlicher Mann mit vielen Talenten. Mit seinem rauchigen, kehligen bis fragilen Gesang und seinem bodenständigen, schlichten wie leidenschaftlichen Gitarrenspiel erlangte er Weltruhm. Alles begann in Aberdeen, Washington – einem Holzfällerstädtchen im nordwestlichen Nirgendwo im US Bundesstaat Washington, über 170 Kilometer von Seattle entfernt. Cobains Liebe zur Musik begann mit den Schallplatten seiner Tante, allen voran jenen der Beatles. Und sein Lieblings-Beatle hieß John Lennon. Im Alter von acht Jahren ließen sich seine Eltern scheiden – der Vater Don Cobain, irischer Abstammung und die Mutter Wendy (geb. Fredenburgh), Kind deutscher Auswanderer. Nach eigener Ahnenforschung war sein Nachname ein Ableger des geläufigeren irischen Namens Coburn.

Die jungen Jahre

Der junge Kurt zeichnete, malte, trommelte und klimperte auf der Gitarre seiner Tante. Nach der Trennung der Eltern wurde bei ihm ADHS diagnostiziert und er bekam Ritalin.

Mutter Wendy verriet in der sehr sehenswerten Doku „Montage Of Heck“, dass ihr Sohn immer äußerst bemüht um das Wohlbefinden aller innerhalb der Familie war, er schien grenzenlos empathisch, hatte eine blühende Phantasie und war sehr unterhaltsam. Keine Spur von dem später meist eher introvertiert, scheu und depressiv wirkenden Mann. Ähnlich wie bei seinen späteren Bandkollegen Novoselic und Grohl erkannten die Eltern bei ihm früh den Drang zur Bühne und gewisse Entertainer-Qualitäten.

Mit der Scheidung aber brach die innere Welt des jungen Künstlers zusammen. Cobain wurde aufsässig, zog sich zurück, kam in seinen frühen Teenager-Jahren mit Drogen in Berührung. Den Jungen in der HighSchool war er ein Dorn im Auge. Sie hielten ihn für irre oder schwul oder warum auch immer, irgendwie nicht dorthin passend und verprügelten ihn regelmäßig nach der Schule. Es gab ein paar weitere Außenseiter, mit denen Kurt Bekanntschaft machte und Freundschaften schloss. Krist Novoselic, der spätere Nirvana-Bassist und Buzz Osborne, Frontmann der Melvins, zählten darunter.

Einfluss anderer Musik in seiner Kunst

Novoselic wuchs zunächst unter der Sonne Kaliforniens auf und zog mit seinen kroatisch stämmigen Eltern in das heute verarmte Städtchen tief in den Wäldern Washingtons. Cobain und Novoselic entdeckten beide zur gleichen Zeit den Rock’n’Roll und etwas später den Punk – „Nevermind The Bollocks“ von den Sex Pistols zündete sofort. Zu ihrer Liebe zu Rock-Größen wie Led Zeppelin, Black Sabbath, Aerosmith und The Who kam nun auch jene zu den Buzzcocks, Dead Kennedys und Black Flag mit dem jungen Henry Rollins am Mikro.

Cobain zeichnete und malte und bildhauerte neben der Musik bis zuletzt. Einige seiner Werke finden sich abgelichtet in den Booklets der Alben Incesticide und In Utero. Auch diese Kunstwerke befassen sich mit den Ur-Themen der Menschheit: Geburt, Tod, Trennung, Verlust. Emotionale Zerrissenheit quillt aus diesen Bildern wie aus seinen Songs. Wunderschöne Harmonien werden plötzlich durchbrochen von verzerrtem Gitarrengeschredder, den harten Drums und diesem markerschütternden Schrei von einem knapp sechzig Kilo schweren jungen Mann, der oft mehrere Schichten Kleidung trug, um nicht so offensichtlich dürr und schwächlich zu wirken. Seine Songs legten ungefiltert Zeugnis über seine seelischen Zustände ab. In „Paper Cuts“ aus dem ersten Album Bleach seufzte, hauchte und kreischte er unmittelbar Rachephantasien aus – es klingt gefährlich überzeugend und konkret!

In „Something In The Way“ auf dem Nachfolger Nevermind klingt Cobain sanft bis tiefst melancholisch bis gar vollkommen resigniert, der Song beinah wie ein Requiem. Dieser sehr minimalistische Song ist seine kleine Aufzeichnung seiner Zeit als Obdachloser unter einer Brücke in seiner Heimatstadt Aberdeen: „It’s okay to eat fish ‚cause they don’t have any feeling…“ (dt.: Es ist okay, Fisch zu essen, denn sie haben keine Gefühle.) Cobain war stolz darauf, mit sehr wenig überleben zu können. Er arbeitete auch einige Zeit als Reinigungskraft.

Die Gegensätze seiner Musik

Auf Nirvanas Debut-Album Bleach (bei Sup Pop erschienen) wechseln Pop-Songs wie About A Girl und Love Buzz (einer Cover-Version von dem Original der niederländischen Band Shocking Blue) mit rauen, düsteren, brachialen Nummern wie Floyd The Barber oder Negative Creep ab. Hier treffen bereits die Gegensätze, von Einflüssen wie Celtic Frost und Black Sabbath auf der einen sowie den Bay City Rollers und den Smithereens auf der anderen Seite, aufeinander.

In „Negative Creep“ wird die Verzweiflung eines Außenseiters ungefiltert beklagt. Der gleiche Zorn und die Ausweglosigkeit finden sich in den meisten Songs auf dieser Platte wieder. Auch die daraus resultierenden selbstzerstörerischen Tendenzen werden hier offenkundig.

Kurt Cobain war ein äußerst widersprüchlicher Charakter, wie sein Freund und Bandkollege Novoselic jüngst bei einem Zusammentreffen mit Jack Endino (Produzent von Bleach) und Kim Thayil (Gitarrist von Soundgarden) verriet. Er machte Kurt darauf aufmerksam, wenn der sich innerhalb eines einzigen Satzes total widersprach: „Hey Kurt, weißt Du was Du da grad eben gesagt hast?“

Und einerseits war Kurt der Punk-/Indie-Ethos heilig, den er bei seinen großen Helden Sonic Youth, den Vaselines, Dinosaur Jr. oder den Butthole Surfers vorfand, andererseits drängte es ihn ins Rampenlicht und er verweigerte sich der Presse keineswegs.

Sein Freitod

Glaubt man seinem damaligen Freund und ein bisschen auch Mentor Buzz Osborne, so war entscheidend für seinen frühen Untergang die Bekanntschaft und Ehe mit Courtney Love. Sie habe all das Chaos in Kurt nur verstärkt und ihn in den Freitod getrieben.

Anderen Gerüchten zufolge sei dieser Suizid in Wahrheit ein Auftragsmord Courtneys gewesen. Eine These, die mitunter massiv von Courtneys leiblichem Vater Hank Harrison angefacht wurde – jener schrieb bis zu seinem Tod einige Aufklärungstexte zum Thema. Der Hauptverdächtige El Duce, ein fieser Bursche, wurde kurz nach seinem Bekenntnis in einem Interview, tot auf einem Gleisbett in Lakeside bei Los Angeles gefunden.

Kurt Cobain nahm sich im Frühling 1994 in seinem Anwesen am Lakeview in Seattle, nach einem im Vormonat gescheiterten Versuch in Rom, das Leben.

Novoselic nennt bis heute die Heroinsucht als wesentlichen Grund für diese „Kurzschlusshandlung“.  Cobain galt als bi-polar. Er hatte bedauerlicherweise außerhalb seiner Band einige verheerende „Bekanntschaften“ in der Drogenszene, die ihn innerhalb des Teufelskreises hielten – darunter auch Dylan Carlson, ehemals Frontmann der Doom-Band „Earth“.

Nirvanas Vermächtnis

Die Laufbahn Nirvanas war kurz (1988 – 1994) und intensiv, wie die meisten ihrer Songs. Cobain war eine Ausnahmeerscheinung: einerseits gebrochen und labil, andererseits ein zäher und willensstarker Typ, der mitunter sehr viel für Feminismus übrighatte und nicht wenige Freundschaften (nachweislich ohne sexuelles Interesse) zu Frauen pflegte. Die Macho-Attitüde im Rock-Business und insbesondere im Metal lehnte er radikal ab!

Viele seiner Songtexte lesen sich wie Gedichte: Drain You, Polly, Something In The Way, Heart-Shaped Box oder All Apologies etwa. Viel Trauer, Zorn und Verzweiflung liegt in dieser Musik. Michael Stipe von R.E.M. erklärte in seiner Laudatio zum Einzug Nirvanas in die Rock’n’Roll Hall Of Fame, dass dies nicht bloß Pop-Musik sei, sondern weit, weit mehr als das…

Der frühe Drogenkonsum, Alkohol, Fastfood und die chronischen Magenschmerzen, die nicht behandelt werden konnten und die Cobain mit dem Heroin betäubte, ließen ihn deutlich älter aussehen als Mitte/Ende Zwanzig.

In einem seiner letzten Interviews, am Hafen von Seattle, warnte er eindringlich vor Heroin.

„Es brennt dich aus, nimmt dir dein Gedächtnis und deine Seele…!“

Zu den Diagnosen „bi-polar“ und „klinisch-depressiv“ gesellt sich noch eine Verdachtsdiagnose von Kurt selbst: Narkolepsie!

Cobains Musik und Malerei sind zeitlose Kunstwerke – es scheint noch heute, als hätte er in beidem bewusst solche adressieren wollen, die ähnliche Erfahrungen wie er gemacht haben und jene verprellen, die niemals den „Opfer-Status“ innehatten. Letzteren fehlt meist auch der Zugang zu seiner Kunst…

Gerade ein Jahr nach seinem Tod gründete der Mann am Schlagzeug bei Nirvana eine eigene Band und ließ die Grunge-Ära bald weit hinter sich: Dave Grohl gründete die Foo Fighters – auch er ein sensibler, talentierter Musiker, der sich jedoch ganz im Gegensatz zu Cobain in seiner Musik lebenszugewandter zeigt und einen mitreißenden Lebenswillen transportiert.

All jene, die mehr erfahren möchten, sollten sich die Doku „Montage Of Heck“ gönnen und die Bandbiografie „Come As You Are“ von Michael Azerrad zu Gemüte führen. Beide lohnen sich U N B E D I N G T…*!*

Bild und Grafik: J. T.
(Verwendung eines Bildes von InspiredImages auf Pixabay)


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