Mit seinem Artikel »Raus aus der Depression« empfiehlt uns J. T. aus dem AlexOffice einen Podcast von Harald Schmidt (NDR Info), in dem das Reden über Depressionen – mit Betroffenen, Angehörigen und Experten – hilft, die Krankheit besser zu verstehen.
»Raus aus der Depression«
Ein Podcast-Tipp
Harald Schmidt und seine Gäste
Harald Schmidt, einst Kabarettist, Late Night-Talker und Chefzyniker lebt heute eher ruhig und zurückgezogen, gibt dann und wann Interviews (kleine Zusatzgagen nimmt er gern entgegen), und als Selbstbetroffener ist er Schirmherr der „Depressionsliga“ und gibt einen Podcast unter dem o. g. Titel. Zu seinen Gästen zählten bereits u. a. der Comedian Torsten Sträter, der seit den 1990ern an Depressionen leidet, mittlerweile jedoch ein gutes Management gefunden hat. Oder die Autorin, Schauspielerin und Radiomoderatorin Sophie Passmann oder Eva Habermann, ihres Zeichens Schauspielerin, Autorin und Produzentin.
Schmidt wird hier konkret und versucht das Thema seriös, mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Sorgfalt zu behandeln, aber natürlich bleibt das Auge auch hier nicht immer so ganz trocken.
Eine Sonderausgabe befasst sich mit dem Thema „Depressionen in der Bundeswehr“, in der zwei Soldaten von der beginnenden Erkrankung berichten – der Eine bekam sie während eines Afghanistan-Einsatzes und war von 2005 bis 2017 auf Grund der Depression außer Dienst. Der Andere (ein Akademiker) konnte eines Tages vor einem ganz gewöhnlichen Arbeitstag das Bett nicht mehr verlassen. Dieser berichtet von der dauerhaften Medikation und auch der großen Hürde zur Einsicht und Akzeptanz seiner Erkrankung wie auch der Angst vor der Reaktion seiner Vorgesetzten.
Bei dieser Folge musste ich an meinen Cousin zweiten Grades denken, der als Berufssoldat nach einem langjährigen Auslandseinsatz unter einer posttraumatischen Belastungsstörung litt und sich im vergangenen Jahr das Leben nahm.
Beispiele für Podcast-Folgen
Sträter erzählt von seiner lang andauernden Depression, deren intensivste, dauerhafteste Phase in den 1990ern anhielt, aber intervallweise immer wieder zurückkehrt. Seinen Umgang mit und seine Einstellung zur Erkrankung und sich selbst seit der Depression macht er hier anschaulich (er geht jedoch seit Beginn seiner Laufbahn in der Öffentlichkeit offen mit der Erkrankung um), und natürlich tut er das auf unterhaltsame Weise, z. B. wie er als Cineast so manchen Kinofilm (z. B. „Schindlers Liste“!) vorzeitig verlassen musste. Und doch konnte er seinen Arbeitsalltag (in einem Baumarkt) durchhalten, um dann abends in ein schwarzes Loch, d. h. in totale Apathie zu fallen.
Ein Barkeeper in Dortmund, der eigens depressionserfahren war, verhalf ihm dann zur Therapie, brachte ihn persönlich zum Therapeuten. Medikamente hat er alle durch und dank derer auch massiv an Gewicht zugelegt. Und natürlich wird zwischen Kolleg*innen auch geplaudert, was bei Sträter und Schmidt unter Garantie amüsant zu werden verspricht.
Natalia Yegorova, Ex-Botschafterin, Ex-Model und Ex-Frau des Boxers Vitali Klitschko berichtet als Kriegserfahrene und Flüchtling. Beim gebietenden Ernst des Themas zeigt sich der Moderator natürlich auch ernsthaft und sensibilisiert auf den thematischen Gegenstand fokussiert. Vergessen wir nicht, dass Schmidt in „Warten auf Godot“ eine tragische Darstellung der Rolle des „Lucky“ mit überzeugender Tiefe geboten hatte, und in Interviews mit Claus Peymann oder dem Sohn Thomas Bernhards war er bereits angenehm aufmerksamer wie (weitestgehend) Ironie-befreiter Interviewer.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth schildert den gravierenden Einschnitt, den die Depression für ihn bedeutete. Als er plötzlich mit allem überfordert war, bis es unvermittelt aus ihm herausbrach: „Ich brauche Hilfe!“ Vom vielen Herumlavieren und Verdrängungsmechanismen („Durchwurschtelei“) berichtet Roth hier.
Meine Empfehlung
Wer den als Berufs-Provokateur berüchtigten Harald Schmidt zuvor wegen seiner bissig-bösen sarkastischen bis zynischen Art fürchtete/mied, begegnet in diesem Podcast einem neuen, weitaus angenehmeren, weil auch authentischen Menschen, der wirklich sensibel auf seine Gäste eingeht und diese insbesondere zu Wort kommen lässt. Verständlich, zumal er lange Jahre als Schirmherr der „Stiftung Deutsche Depressionshilfe“ vorsteht.
Betroffene und/oder Angehörige solcher und/oder lediglich Interessierte lädt dieser Podcast absolut zum Reinhören und Dabeibleiben ein.
Hier der Link: Raus aus der Depression (Podcast auf NDR Info)
Ein Beitrag von J. T. (AlexOffice)
Foto (Ausschnitt) von Simon Maage auf Unsplash
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