#stelltunsein – Meinung zu Mindestlohn in einer Werkstatt – ein Beitrag von Marie-Louise Buschheuer


#stelltunsein – Derzeit macht eine Petition von sich reden, in der es hauptsächlich darum geht, dass Menschen in Werkstätten den Mindestlohn erhalten sollen, meine Meinung dazu.

Ich arbeite in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Und ich habe eine Meinung dazu. Wer jetzt erwartet, dass ich die Petition über den grünen Klee lobe und sie voll und ganz befürworte, liegt leider falsch.

In diesem Artikel geht es um meine Meinung und die Gründe, die zu dieser Meinung geführt haben.

Was steckt dahinter?

Menschen die in Behindertenwerkstätten arbeiten, erhalten entweder Erwerbsminderungsrente oder ALGII. Das ist per se nicht so viel, wie ein arbeitender Mensch verdient und gerade in Bezug auf das Arbeitslosengeld ist dies verständlich. Zusätzlich dazu bekommen wir ein Gehalt von den Behindertenwerkstätten. Wobei Gehalt jetzt schon wieder das falsche Wort ist, es ist mehr eine Art Taschengeld, wenn man nach der Höhe geht.

Und hier greift die Petition. Diese möchte nämlich erreichen, dass die Beschäftigten in den Werkstätten ein normales Arbeitnehmerverhältnis haben. Mit Stundenlohn der dem Mindestlohn entspricht, damit sie mehr verdienen.

Die Berechnung in den Werkstätten

Schöner Gedanke. Denn derzeit ist es so wir erhalten einen Lohn der sich aus einem Grundbetrag, einem Arbeitsförderungsgeld und einem individuellen Steigerungsbetrag zusammen setzt. Im Bundesdurchschnitt liegt er bei 207 Euro. Dieser Betrag ist einsehbar.

Bei Beschäftigten, die Arbeitslosengeld II erhalten wird dieser Betrag mit dem Arbeitslosengeld verrechnet, lediglich ein bestimmter Freibetrag ist erlaubt.

Hinzu kommt, dass Werkstätten Geld kosten. Im Normalfall werden diese Kosten von dem Träger übernommen. Je nachdem kann das die Rentenanstalt, die Agentur für Arbeit oder der Landschaftsverband sein (in Köln beispielsweise der LVR). Denn die Gruppenleiter, Anleiter, Sozialarbeiter und alle anderen die sich in den Werkstätten um die Beschäftigten kümmern, müssen auch bezahlt werden.

Sicherlich, die Werkstätten erwirtschaften durch ihre einzelnen Bereiche auch Gewinne. Das ist und muss so sein, denn daraus wird das Gehalt der Beschäftigten (im vorherigen Abschnitt erklärt) bezahlt.

Arbeitnehmerverhältnis und Mindestlohn

Bevor ich zu den Erklärungen komme, warum ich nicht mit der Petition übereinstimme – oder vielmehr gesagt nur bedingt übereinstimme – noch etwas zu dem Verhältnis zwischen Beschäftigten und Werkstatt.

Wer in der Werkstatt im sogenannten Arbeitsbereich ist, kann dies mit einer Festanstellung in einer Firma vergleichen. Wir haben fest Arbeitszeiten, Urlaubstage und unsere festen Aufgaben, die es auch zu erfüllen gilt.

Aber – und das ist der erste Punkt, auf meiner Gründeliste – es geht alles etwas gemächlicher von Statten. Hier herrscht keine Hektik, es gibt keine Quoten die erfüllt werden müssen, wenn etwas liegen bleibt dann ist das so. Zum Schluss steht hier keine Zahl unterm Strich, die den Gewinn anzeigt, sondern das Wohlbefinden des Menschen. Und wenn die Zahlen nicht so ganz stimmen, dann ist das eben so.

Um jedoch einen Mindestlohn zahlen zu können, muss mehr gearbeitet werden, es müssen Quoten erfüllt werden, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung nicht machbar sind.

Was muss sich ändern?

An dieser Stelle möchte ich noch einmal wiederholen: es ist meine Meinung, sie ist nicht wissenschaftlich fundiert sondern ist durch Erfahren und Erleben mit der Materie entstanden.

Bleiben wir noch einmal bei der Arbeit. Die Beschäftigten müssten also mehr schaffen, mehr arbeiten als bisher, um eine bestimmte Zahl zu erreichen, damit sie ein entsprechendes Gehalt bekämen.

In der Werkstatt würden dann aber ziemlich schnell Arbeitsbedingungen wie auf dem ersten Arbeitsmarkt herrschen, und genau das soll ja nicht sein. Gerade das Geschützte, das Ruhige, das „der Mensch steht im Mittelpunkt“ würde verschwinden. Und viele würden wieder in ihre Krankheiten abstürzen, nicht mehr arbeitsfähig sein und gehen müssen.

Damit wäre Inklusion gescheitert. Und genau das ist ja der Punkt, an dem die Werkstätten ansetzen, dass sie einen Raum schaffen, in dem jeder kann. So wie er eben kann.

Also ist es gar nicht möglich, dass Werkstätten mehr erwirtschaften als jetzt schon. Und die Gewinne werden direkt auf die Beschäftigten umgelegt. Es ist eine Null-Rechnung.

Was sich ändern muss, sind die Grundvoraussetzungen. Wie bereits oben geschrieben, wird das Gehalt, dass ein Beschäftigter in der Werkstatt erhält, auf das Arbeitslosengeld angerechnet, so er denn dies bekommt. Und alleine da liegt ein Fehler – in meinen Augen.

Der Mensch geht arbeiten, so gut wie er kann und hat am Monatsende doch nicht mehr auf dem Konto, als wenn er nicht arbeiten ginge. Warum geht er also arbeiten? Ein wenig habe ich dazu in meinem Artikel „Sackgasse Behindertenwerkstatt?“ geschrieben. Da könnt ihr das gerne nachlesen.

meine Meinung

Aus meinen Augen ist hier also unsere Politik gefragt, denn noch immer wird die Behindertenwerkstatt nicht wirklich als vollständige Arbeit angesehen. Obwohl sie das für viele ist.

Auch unsere Wirtschaft – der erste Arbeitsmarkt – ist leider immer noch weit davon entfernt, inklusiv zu sein und Menschen, die eingeschränkt sind, einen Platz zu bieten.

Am Ende bleibt für viele nur der Weg in eine Werkstatt für behinderte Menschen – und damit auch ein Zugeständnis an die finanzielle Situation.

Auch wenn ich sagen muss, dass ich noch vergleichsweise gut dastehe.

Die Petition an sich ist richtig und wichtig – sie rüttelt auf und zeigt auf einen wunden Punkt in unserer Gesellschaft. Denn Inklusion gerade in der Arbeitswelt ist noch immer ein Wolkenschloss.

Doch leider verfehlt sie den Punkt – meiner Meinung nach. Nicht die Werkstätten müssen aktiv werden, sondern Politik und Wirtschaft – um unsere Welt inklusiver und besser zu gestalten.