Dirty old man – ein Portrait über Henry-Charles Bukowski. Ein Artikel von Herrn Thun


 

Am 16. August 1920 in Andernach unter dem bürgerlichen Namen Heinrich-Karl Bukowski, als Sohn polnischer Einwanderer geboren und erst recht spät als unkonventioneller Schreiberling von zunächst Gedichten, Kolumnen, Short Stories, Erzählungen und Romanen bekannt geworden –  Henry–Charles Bukowski!

Wer hat ihn nicht (mal) gelesen oder kennt den „Bukowski-Mythos“ des rauen Trunkenbolds und der gebrannten Seele, der seine Existenz am Rande der Gesellschaft (in einem wenig glamourösen Viertels in Hollywood (wo viele seiner Geschichten stattfinden) fristete.

In „Post Office (dt.: Der Mann mit der Ledertasche) erzählte uns Hank bzw. Henry Chinaski (so der Name seines Alter Ego) aus dem eintönigen, frustrierenden aber auch derben und zehrenden Alltag des Postangestellten, der Bukowski tatsächlich war. Bukowski war zum damaligen Zeitpunkt bereits Alkoholiker und hatte (wie seinerzeit bei der Post in den USA üblich) Unmengen an Adressen und Zustellcodes auswendig zu beherrschen. Seine Gedichte zeichneten sich durch ihre Formlosigkeit, meist herben bis primitiven Sprache, mit oft zartfühlenden Einblicken in eine geschundene Seele, aus.

Sie erzählen von einem Leben am Abgrund und in Verzweiflung, von Scheitern und Bitterkeit und von der dringenden Not den Tag zu überstehen. Diese unvermittelte, ungefilterte Sprache und der Dreck und die realen Konflikte von der Straße waren vorher selten so deutlich zu Papier gebracht worden wie in diesen frühen Texten.

Der dirty old man

BukowskI schrieb um sich ‚über Wasser‘ zu halten – seine Kolumnen sind versammelt in „Notes Of A Dirty Old Man“ (dt.: Aufzeichnungen eines Außenseiters), in denen es wimmelt von unglückseligen Begegnungen, massiven Niederlagen und zwischenmenschlichen Enttäuschungen, offen ausgetragenen Auseinandersetzungen und verqueren Liebschaften.

Diese Gossensprache hatte nicht nur in den Staaten, auch in Europa und insbesondere in Deutschland zahlreiche Nachwuchsautoren beeinflusst, darunter Wolf Wondratschek, Rolf-Dieter Brinkmann und Jörg Fauser. Letzteren lernte Bukowski persönlich kennen. Nach ihrem Aufeinandertreffen bezeugte ´Hank´ seine Hochachtung indem er Fauser mehr Bukowski erkenne als in sich selbst.

Seine langlebigste Beziehung hatte er mit der satte 20 Jahre jüngeren Linda King, die ihm nach zig Querelen 1975 endgültig den Laufpass gab. Auf „Youtube“ findet man ein Interview, in welchem sie zunächst ihre Zuneigung zueinander bekunden und dann ein weiterer Streit zwischen beiden ausbricht. King beschimpft ihn als Idioten, der sich vom Urteil Anderer bestimmen und in soziale Isolation treiben ließ, kurz darauf schmeißt ihr ´Hank´ hässliche Worte an den Kopf und tritt sie von der Couch.

Einerseits das unliebsame Raubein, andererseits der sensible Poet. Dieser Widerspruch war in Bukowski immer vereint und zeigte sich offen in seinen Texten. Ähnliche innere Kontraste gab es auch bei Henry Miller oder Dylan Thomas – besonders bei Bukowski war wohl die Begrenzung auf das Wesentliche in seinen messerscharfen Dialogen und der lakonischen Beschreibung aller Szenerien des Alltags.

Sein Übersetzer ins Deutsche zu Lebzeiten war Carl Weissner, der wohl enorm eingegriffen und „auf den Putz gehauen“ habe bei seiner Übersetzungstätigkeit, so Benno Käsmayr vom MaroVerlag, welcher Bukowski später neu verlegte.

Ein Portrait

Bukowski war Einzelgänger, niemand der sich und seine Texte einer Szene oder einer Bewegung zugeschrieben wissen wollte. Er selbst verehrte nur wenige der großen Literaten vor und in seiner Zeit: Hemingway (Bukowski wurde als der „Hemingway von der Straße“ bekannt) zählte unbedingt zu jenen, auch J. D. Salinger (sein „Fänger Im Roggen“ beeindruckte Bukowski tief), Louis – Ferdinand Celine (dessen „Reise Ans Ende Der Nacht“ er für eine Offenbarung hielt und auf jeder Seite gellend lachen musste) und John Fante (den Buk zum Freund hatte und dessen Tod ihn sehr bestürzte).

Einige seiner Geschichten wurden verfilmt – darunter „Barfly“ unter der Regie von Barbet Schroeder mit Mickey Rourke aus dem Jahr 1987 oder „Factotum“ mit Matt Dillon aus dem Jahr 2005 unter der Regie des Norwegers Bent Hamer.

Die wahre Schönheit dieser Geschichten liegt hinter all dem Elend, zwischen den unzähligen zerrissenen Seelen, den Tragödien die an jeder Ecke lauern.

Bukowski starb 1994 in San Pedro an den Folgen einer Leukämie.

Sein Gesamtwerk umfasst mehrere Gedichtbände und Stories, sowie Romane, die in ihrer Kompaktheit und Würze viele blasse Nachahmer fanden, doch vermehrt starken Einfluss auf nachkommende Generationen ausübte.

Charles Bukowski war weder absoluter Versager noch formvollendetes Genie. Er war ein Kind seiner Zeit, das unter der Strenge und dem Unverständnis für seine Neigung seitens des Vaters litt und sich damit durch ein Leben schlug, das reich an Gewalt, finanziellen Durst-strecken, Liebschaften, Erniedrigung und seiner Arbeit war – Alkohol war eine Triebfeder seines Schaffens, doch nicht wesentlicher Inhalt seiner Kunst, die in seinen Worten im Kern darin bestand, „die Scheiße, die ihn umgab, abzubilden“.

 


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