In seinem Artikel »Hiphop History Month – Zulu Nation« lässt uns unser Kollege Doc Köllewood aus dem AlexOffice einiges Interessante darüber wissen. Als Jugendlicher wurde er stark geprägt durch die Bewegung der „Zulu Nation“ und bringt daher seinen persönlichen Bezug dazu in Zusammenhang mit dem Thema Inklusion. 

Da es sich zum Teil um sensible Inhalte handelt, setzen wir an dieser Stelle eine ***Triggerwarnung***.


 

Nachdem ich euch im Artikel »Hiphop feiert Geburtstag« im August erklärt hatte, weshalb der 11. August 1973 für die meisten als Geburtstag des Hiphop angesehen wird, so ist es aus der Sicht der „Zulu Nation“ der 12. November 1974 – ein Jahr danach.

Vor Kurzem – am 29. Juli 2021 – wurde sogar vom Senat der Vereinigten Staaten von Amerika offiziell beschlossen, dass der 11. August zum „Hiphop Celebration Day“ und der Monat August zum „Hiphop Recognition Month“ erklärt wird. Außerdem wurde der November als „Hiphop History Month“ gekennzeichnet.

Aber wie kam‘s dazu?

Third Anniversary of Zulu Nation Seattle Celebration of Hip Hop Culture, part of Festival Sundiata, a Festál event at Seattle Center, Seattle, Washington. Photo by Joe Mabel.Dance competition. Third Anniversary of Zulu Nation Seattle Celebration of Hip Hop Culture, part of Festival Sundiata, a Festál event at Seattle Center, Seattle, Washington. Photo by Joe Mabel.

Wie kam ich zum Thema „Zulu Nation“?

Ich glaub, ich muss jetzt erst einmal persönlich weiter ausholen. – Genau genommen ist dies mein zweiter Vortrag dieser Art; ich hatte damals in der Hauptschule als Außenseiter einen Vortrag darüber gehalten, nachdem ich wissen wollte, welche Musik das ist, die die Leute hören, die mich gemobbt haben. Damals in den 90ern gab es natürlich kein flächendeckendes Internet, also bin ich in die Bibliothek gegangen, um mich über das Thema zu informieren. Die Recherche hierzu war deutlich schwieriger … dennoch bin ich „irgendwie“ über die Zulu Nation „gestolpert“:

Hiphop History Month – Zulu Nation. – Oldschool Flyer aus meinem Geburtsjahr 1983.

Ich fand heraus was „dieser Rap“ ist und dass ihn diejenigen, die ihn gehört haben, meiner Meinung nach völlig falsch verstanden haben. Das habe ich dann in meinem Vortrag „altklug“ versucht mitzuteilen, was natürlich kontraproduktiv war, wie ihr euch vielleicht denken könnt. – Nur soviel: Teenager können grausam sein …

Aber zurück zur Zulu Nation.

Universal Zulu Nation. – Foto von Alan Levine.

Was ist die Zulu Nation?

Die Zulu Nation, über die ich berichtet habe, war eine 1973 gegründete Alternative zu Straßengangs. Man kann sie als eine Mischung aus Musik, Kunst & Sozialdienst sehen. Um Teil von ihr zu werden, musste man strengen Regeln folgen – die Persönlichkeitsentwicklung spielte eine große Rolle; Kritiker sahen die Zulus als eine Art Sekte an, auch wenn das (meiner Meinung nach) nicht so ganz zutrifft. Jedenfalls waren in ihr viele alte Hiphop-Größen wie Nas, Q-Tip oder KRS-One, um nur einige zu nennnen.

Ein zentrales Element war hier die Inklusion in die Gesellschaft und die Abkehr der Ganggewalt. – Sowohl Drogen (auch Alkohol und Zigaretten) als auch Gewalt waren tabu. Dafür wurden gegenseitiger Respekt und Toleranz vermittelt.

Kreativ konnten gewaltfrei Konflikte durch „Hiphopbattles“ in den klassischen vier Hiphopelementen gelöst werden: Rap (inkl. Beatbox), Djing, Breakdance & Graffiti. Als fünftes Element sieht man das „Knowledge“ (Wissen über die Kultur) an. Die Vermittlung von Wissen hat ihre Wurzeln im Verein „Each One Teach One“ (EOTO e. V.), der die PoC (Person of Color) Bewegungen in den USA zur Grundlage hatte. Die afroamerikanische Bedeutung des Vereins „Each One Teach One“ (es gibt auch eine gleichnamigen Bildungsverein in Berlin) entspringt aus der Zeit der Sklaverei, als Persons of Color die Bildung verweigert wurde.

Schattenseiten

Aus den Regeln, Ideen & Werten haben sich mit der Zeit seit den 80ern viele Grundlagen der Hiphopkultur entwickelt. – Die Zulus haben definitiv dazu beigetragen, dass sich Hiphop verbreitet hat. Jedoch gab es auch Schattenseiten in Form von Vorwürfen gegen die Zulu Nation. Diese will ich in diesem Zusammenhang nicht unter den Tisch kehren, aber auch nicht den Fokus darauf legen, da ich wie viele andere bis zur Bekanntwerdung nichts davon wusste.

Zu den Vorwürfen gegen die Zulu Nation gibt’s auf JUICE.de einen Artikel.
Da es sich um sensible Inhalte handelt, setzen wir an dieser Stelle eine ***Triggerwarnung***.

Chapter der Zulu Nation

Zurück zur Verbreitung der Zulu Bewegung. Nach und nach wurden weltweit die sogenannten „Chapter“ aufgemacht. Die Verbreitung reichte bis nach Deutschland; in Deutschland war das Deutschrap-Urgestein Torch einer der ersten im deutschen Chapter der Zulu Nation – Standort Heidelberg. Durch Afrika Bambaataa, den Gründer der Organisation Zulu Nation persönlich wurde er zum „König“ des (west)deutschen Chapters der Zulu Nation „gekrönt“. In Ostdeutschland gab es einen Schwerpunkt im Breakdance.

Hiphop History Month – Zulu Nation. – Afrika Bambaataa, Gründer der Zulu Nation

Der deutsche Zulu Chapter hatte u. a. 2001 einen legendären Jam in Köln, wo Chris Goertz vor Kurzem Video- und Blogmaterial (zwei Links dazu siehe unten) veröffentlicht hat.

Ich selber wurde ca. 2005 in der Kölner Hiphopszene aktiv. Meine Ursprünge waren klar durch die Zulu Nation inspiriert (meine Projekte hießen dementsprechend anfangs „Co Bo“ (Colonia Bonn) – genauso wie im Norden von NRW in Dortmund 1993 maßgeblich von Too Strong die Silo Nation gegründet wurde – zunächst als Scherz/Parodie-Antwort auf die Zulu Nation, da damals in den ersten 10 Jahren der Zulu Nation in Deutschland einige Künstler & Fans durch das „anscheinend übertriebene Einbringen von Regeln“ abgeneigt waren, sich anzuschließen. Viele haben die Zulus eher belächelt.

Too Strong (Silo Nation) Auftritt beim Out4Fame Festival. Bildautor: Lipstar & Frederic Lippe (Fred Production)

Die „Silo Nation“ als Gegenkonzept

Während die von Too Strong initiierte Silo Nation auch viele Gemeinsamkeiten mit der ursprünglichen Zulu Nation aufweist, besteht der hauptsächliche Unterschied darin, dass es bei der Silo Nation keine organisierte Struktur im herkömmlichen Sinne und keine Grundsätze gibt:

„Jeder Mensch soll so akzeptiert werden, wie er ist, ohne ihn aufgrund von Verhaltensweisen oder Merkmalen (Hautfarbe, Geschlecht, Beeinträchtigung, Religionszugehörigkeit oder aber auch Drogenkonsum etc.) zu beurteilen. Ausschließlich der Charakter eines Menschen sollte die Grundlage für zwischenmenschliche Beziehungen sein. Dieser ist nur nach intensivem Kennenlernen der betreffenden Person zu beurteilen.“
(aus: Wikipedia Artikel über Too Strong und die Silo Nation)

Persönlicher Gedankenschluss

Mein eigenes „Co Bo“ Projekt hatte nie die Ablehnung thematisiert, mir ging es viel mehr um Inklusion und das Defizit einer Gemeinschaft, wo ich aufgrund meiner Behinderung echt lange (irgendwie bis heute) mit der Umsetzung meiner Vision zu kämpfen hatte/habe. Mir ging es zudem immer eher darum, diejenigen zu vereinen, die sich selber nicht als Künstler und somit die Elemente als Experiment & Selbstfindung gesehen haben („Von Fans für Künstler“). – Aus der „Co Bo“ Nation wurde (aufgrund der Verlagerung meines Lebensmittelpunktes) dann mit einigen Umwegen „Köllewood“, „CologneHiphop“ & Co., worüber ich an anderer Stelle gern mehr berichten werde!

Meine Visionen sind längst nicht tot und haben durch meine Arbeit im AlexOffice endlich an dem Knowledge gewonnen, was ich vor ca. 15 Jahren gerne zugunsten einer besseren Inklusion von Menschen mit Behinderungen hätte umsetzen wollen …

Euer Doc

P.S.: Vielleicht mache ich im kommenden Jahren noch ein paar Artikel über diverse einflussreiche HiphopKünstler. Wenn ihr dafür Ideen, Vorschläge oder Rückmeldungen habt könnt ihr dies gern hier in den Kommentaren (siehe unten) oder unter dem Share auf der AlexOffice Facebook Seite hinterlassen. Dann kann ich diese gerne übernehmen und auf Feedback von euch eingehen!

Quellenangaben und weiterführende Informationen

Titelbild (Logo und Farben der Universal Zulu Nation): AlexOffice

Weiterführende Texte auf Deutsch:
Wikipedia Artikel über die Universal Zulu Nation
Wikiwand Artikel über die Universal Zulu Nation
Wikipedia Artikel über Too Strong und die Silo Nation

Weiterführende Texte auf Englisch:
Artikel auf hiphopelements.com über den Hiphop History Month
Artikel auf hypebeast.com über den Beschluss im US-Senat

Kölner Zulu Jam:
Video auf YouTube von Chris Goertz
Blogartikel auf hypesrus.com von Chris Goertz

 


Auch du kannst deinen Text, deine Erfahrung, dein Gedicht oder auch deinen Podcast bei uns einreichen. Unter Kontakt findest du unsere Ansprechpartner. Schick uns dein Werk und wir veröffentlichen es.