Heute möchte ich mich der Geburtsstunde des Hiphop widmen und euch ein wenig zur Entstehung dieser Musikrichtung erzählen.

Hiphop war immer eine inkludierende Musikrichtung: Jede*r konnte Einflüsse seiner ethnischen Herkunft, der Kulturen seiner Heimat & Geschichten aus seiner Nachbarschaft erzählen und verarbeiten. Rap & Graffiti sind hier Medien, um diese Geschichten an neue Leute zu bringen (in Bild und Ton). Durch Clubs und DJs können Menschen sich zum Tanzen und Feiern treffen und sich die Musik anhören, die sie miteinander verbindet. Mit Breakdance hat man zusätzlich die Möglichkeit, sich sportlich auszuleben – all diese 4 Elemente gehören zu Hiphop und werden auch oft im friedlichen und kompetitiven Wettstreit kombiniert. Diese eigene Individualität ist etwas, was Hiphop immer ausgemacht & viele begeistert hat – eine Form der kreativen Selbstdarstellung!

Was wird als Geburtstag von Hiphop angesehen?

Das ist schwer zu sagen. Aber wenn schon Google 2017 sein Doodle* Hiphop widmete, kann man davon ausgehen, dass da was dran ist, wenn wir den 11. August nennen. Was ist genau da dran?

Was genau passierte genau vor 48 Jahren?

Zu dieser Zeit wurde eine der wichtigsten Erfindungen des Hiphop entwickelt: der Breakbeat! Was heißt das? Ein DJ lässt dieselbe Soul/Funk Platte auf zwei Plattenspielern laufen und indem er eine interessante Stelle ohne Gesang gezielt vor & zurück dreht, schafft er einen sogenannten „Loop“ und damit was Neues. Vorher wurde bereits vom 18-jährigen Jamaikaner DJ Kool Herc, („Clive Campell“ – der mit 10 Jahren nach New York gekommen war) über instrumentale Stellen bekannter Tracks gerappt, auch wenn diese Stellen oft sehr kurz waren. Ein „Loop“ konnte also einen Beat schaffen, auf dem Künstler auch längere Texte schreiben (oder freestylen) konnten…

Eine ausschlaggebende Party

Flyer zur ersten Hiphop Party von DJ Kool Herc am 11. August 1973 in der Sedgwick Avenue

Man nimmt das Datum des 11. August 1973 – eine Geburtstagsparty seiner Schwester Cindy in der 1520 Sedgwick Avenue der Bronx, weil an diesem Datum das erste Mal diese Technik der Partycrowd präsentiert wurde – Coke la Rock war damals der „MC“ (Rapper im Hiphop – steht für „Master/Mistress of Ceremony“, Umgangssprachlich auch „Microphone Controller“ oder „Microphone Checker“) – und wird daher von manchen als Erster seiner Art angesehen…

In den nächsten zwei Jahren setzte sich diese kreative Idee zunächst in New York, dann auch in anderen Städten durch & wurde stets weiterentwickelt. Bis es zu einer weltweit gelebten & gefeierten Kultur wurde, dauerte es aber natürlich seine Zeit!

Die DJs prägten es …

Die analoge Praxis gehört auch heute zu Dingen, die jeder DJ können sollte, wie ich finde; auch ich habe mich damals damit versucht 🙂 – die modernen Tracks werden aber natürlich heute fast nur noch digital produziert – Software erleichtert hier sehr viel! Diese neuen technischen Möglichkeiten trugen sicherlich auch dazu bei, dass es heute viele Facetten von Hiphop gibt – in vielen Subgenres & Unterarten.

Hiphop nur an diesem Tag festzulegen, kann man kritisieren, da Hiphop eine laufende Entwicklung über viele Jahre war; eine Musik, die eine längere Reife benötigt hat – der 11. August ist aber ein gutes Datum um diesen Meilenstein zu markieren. Viele Größen der frühen Hiphopjahre beanspruchen, dass sie damals da waren, unter anderem Grandmaster Caz, Grandmaster Flash, Busy Bee, Afrika Bambaataa, Sheri Sher, Mean Gene, Kool DJ Red Alert & KRS One… Für damals 25 Cent Eintritt wäre ich auch gern dabei gewesen – war aber da noch nicht einmal geboren 😉

Der Faktor Beat (und damit auch der des DJ („Disc Jockey“)) ist aber natürlich nur ein Element – Rap selber kann man als Tradition westafrikanischer Geschichtenerzähler (der sogenannten Griots*) sehen – solche globalen kulturellen Einflüsse prägen Hiphop bis heute.

Der Ort des Geschehens

„Es ist doch der Geburtsort, wo alles angefangen hat.“
„Es ist ein Teil des amerikanischen Traumes und wir wollen ihn bewahren.“
DJ Kool Herc über 1520 Sedgwick Avenue

DJ Kool Herc       1520 Sedgwick Ave.

Die Sedgwick Avenue – die Straße wo das stattfand, nennt man heute den „Hiphop Boulevard“. In den frühen 2000er Jahren haben die Besitzer versucht, den Ort in ihrem Sinne zu verändern (was zur Gentrifizierung des Gebietes geführt hätte), um höhere Mieten zu bekommen – zum Beispiel indem es aus einem bestimmten Status-Programm genommen werden sollte, welcher die Mieten gering halten konnte; 2007 hat die zuständige Behörde dann zwar anerkannt, dass dies der „Geburtsort von Hiphop“ ist – das änderte leider nichts daran, dass der Status aberkannt wurde & ein Immobilien-Konzern es kurz vor dem Platzen der amerikanischen Immobilienkrise erwerben konnte. Das Platzen der Blase führte jedoch dazu, dass trotz Androhungen der Zwangsräumungen von Mietern & Versprechungen der Renovierung & Instandsetzung das Gebäude immer mehr verfiel; mit einem städtischen Darlehen konnte jedoch nach einer Zwangsversteigerung ohne aktive Bieter ein neuer Besitzer gefunden werden, um so Arbeiterfamilien weiter den Wohnraum bieten zu können. Der neue Besitzer hat zudem gottseidank die Absicht, den Ort ins amerikanische Register der historischen Plätze einzutragen, auch wenn der Vorbesitzer dies ablehnte; die Ziele der neuen Besitzer werden aber allgemein als Sieg um den Kampf für bezahlbare Mieten in New York gesehen, gemeinsam mit den bisherigen Mietern (die sichere Renditen statt schnelles Geld liefern) das Gebäude instand zu halten…

Das letzte Wort für diesen Ort ist also noch nicht gesprochen – hoffen wir das Beste, für das viele Hiphoplegenden immer noch kämpfen: ein Ort, den Fans dieser Kultur auch weiterhin besuchen können – ohne das Engagement von Herc bei lokalen Politikern, wäre das vielleicht nie gelungen; denn auch wenn er selber als „Inventor“ relativ unbekannt ist & lange gegen seine Drogensucht ankämpfen musste, gibt es heute viele, die das Wirken von ihm und seinen Mitstreitern honorieren… Zum Beispiel gab es dieses Jahr im April vom „The Hiphop Museum Pop-up Experience“ (des ersten Hiphopmuseums in Washington) in den originalen Räumlichkeiten eine „Virtual Introduction Ceremony“ mit anderen „Inventors of Hiphop“, deren Bedeutung aber den Rahmen dieses Artikels sprengen würden…

Euer
Doc

Abonniert unseren Blog und vielleicht erzähle ich dann im November (dem Hiphop History Month) mehr Anekdoten aus der Geschichte des Hiphop (unter anderem über die Zulu Nation, die mich selber geprägt hat).

*Quellenangaben und weiterführende Informationen

Titelbild: AlexOffice

Artikel auf Rap.de: „Hintergrund: Google gratuliert Hiphop zu 44 Jahren“

NTV Artikel zu dem Thema „Ein 18-Jähriger erfand Hip-Hop“

Wikipedia Artikel über den Kampf um den Ort

Weiterführende Texte auf Englisch:
https://nymag.com/anniversary/40th/50665/
https://www.bbc.com/culture/article/20130809-the-party-where-hip-hop-was-born

Videos:
Beispiel für einen Breakbeat von DJ Kool Herc
Über Coke la Rock als erster Hiphop Rapper
Zur „Pop Up Experience“