Rosa Spinnen gibt es nicht? Dass das ein Irrtum ist, könnt ihr in den Geschichten um die rosa Spinne Wuschel und ihre Menschenfreundin Sarah nachlesen. Marie-Louise Buschheuer aus dem AlexOffice regt uns in ihrem kindgerechten Märchen »Wuschel, die Kuschelspinne« dazu an, noch einmal selber zum Kind zu werden – und vielleicht ein wenig die Angst vor Spinnen zu verlieren. Denn eigentlich wollen die nur eines: Schokolade!
»Wuschel, die Kuschelspinne«
Der Einzug . . .
Ein großer, alter Lastwagen rumpelte die Auffahrt zu dem verlassenen Haus hoch. Wuschel beobachtete neugierig, wie der Lastwagen vor der Tür anhielt, und als erstes ein kleines Mädchen mit zwei blonden Zöpfen ausstieg.
Dem Mädchen folgten eine große, blonde Frau und ein großer, blonder Mann. Wuschel erschrak und bekam Angst.
„Die wollen doch nicht hier wohnen, das ist mein Haus.“ Das waren die einzigen Gedanken, die dem Spinnenmädchen durch den Kopf gingen.
Sie wollte hier wohnen bleiben. Tränen stiegen in ihre Augen. „Ich werde nicht gehen,“ nahm sie sich fest vor.
Plötzlich ging die Zimmertür auf und das kleine Mädchen mit den Zöpfen kam herein gelaufen. Schnell versteckte sich Wuschel in einer Ritze zwischen Fenster und Rahmen. Sie wollte nicht entdeckt werden.
„Und das ist wirklich mein Zimmer, Mami?“ rief das kleine Mädchen aus. Hinter dem Mädchen kam die große Frau in das Zimmer. Sie nickte ihrer Tochter zu. „Ja, das habe ich dir doch versprochen. Und jetzt komm meine Kleine. Die Männer müssen hier noch renovieren.“ Und mit diesen Worten verschwanden das Mädchen und die Frau aus dem Zimmer.
„Ihr Zimmer? Das ist mein Zimmer, ich geh hier nicht weg.“ Wuschel war traurig und hatte ganz plötzlich Angst vor dem Mädchen, obwohl sie es nicht kannte.
Die nächsten Tage versteckte Wuschel sich in ihrer Ritze und kam nur nachts hervor. Es kamen viele Männer, die tapezierten, strichen, Lampen aufhängten und Möbel auf bauten. Wuschel weinte viel, sie wollte ihr Zimmer nicht hergeben.
Irgendwann kam die große Frau wieder in das Zimmer. Sie bezog das Bett mit rosa Bettwäsche, hängte Gardinen in das Fenster und räumte viel Spielzeug in die Schränke.
Wuschel zitterte ein bisschen, als die Frau so im Zimmer herumwuselte. Es machte ihr Angst. Und dann, ganz plötzlich, stand da wieder dieses Mädchen in dem Zimmer. Sie lachte und rannte von hier nach da und wieder zurück. Sie schaute sich alles ganz genau an und freute sich über ihr neues Zimmer.
Wuschel machte ganz große Augen und versteckte sich noch ein bisschen mehr in ihrer Ritze. Als es Zeit zum Schlafen war, kam die große Frau noch einmal ins Zimmer. Sie erzählte dem Mädchen eine Geschichte über eine Mäusefamilie. Wuschel hörte ganz genau zu, denn das Spinnenmädchen hatte noch nie eine Geschichte gehört.
Als das Mädchen dann im Bett eingeschlafen war, traute Wuschel sich das erste mal wieder raus. Langsam und ganz vorsichtig krabbelte sie über das Bett. Als sie das Gesicht des Mädchens genau sehen konnte, legte sie sich auf die Bettdecke und versuchte herauszufinden, ob sie Freund oder Feind war.
Wuschel saß lange so da, und wäre fast eingeschlafen, wenn nicht, ja wenn nicht die Augen des kleinen Mädchens plötzlich aufgegangen wären.
Erschrocken sprang Wuschel zurück und stieß dabei einen Angstschrei aus. Das Mädchen riss die Augen ganz weit auf und biss sich vor Schreck auf die Unterlippe. Wuschel zitterte am ganzen Körper, als das Mädchen sich aufsetzte und Wuschel so zu ihren Füßen hinunterkullerte.
Das Mädchen sah die kleine Spinne an und irgendwann öffnete sie den Mund.
„Sag mal, hast du gerade geschrien, Spinne?“, fragte das Mädchen ganz verdutzt. Wuschel zitterte noch ein bisschen mehr und antwortete ganz leise: „Ja!“.
Die Augen des Mädchens wurden noch größer, als sie mit ziemlicher Verwunderung feststellte: „Ich kann dich ja verstehen!“
Wuschel war ziemlich verwirrt. Sie wusste nicht, ob das normal war, dass Menschen Spinnen verstehen konnten.
„Kommt das öfters vor?“, fragte das Mädchen. Wuschel schaute hoch in das Gesicht der Kleinen und fragte mit zitternder Stimme: „Was?“.
„Na, dass Spinnen und Menschen miteinander reden können?“ „Ich weiß nicht“, kam es sehr leise von Wuschel. „Ich kenne keine Menschen und auch keine anderen Spinnen.“
„WAS?“ Das Mädchen war ganz erschrocken. Die kleine Spinne sollte hier also alleine wohnen? Ohne Mami und Papi? Das fand sie schrecklich traurig. „Wo sind denn deine Mama und dein Papa, kleine Spinne?“ wollte sie wissen.
Da wurde Wuschel traurig. „Weiß nicht. Solange ich mich erinnern kann, wohne ich alleine in diesem Zimmer hier.“
Das fand das kleine Mädchen dann noch trauriger. Sie musterte die kleine Spinne ganz genau, und plötzlich fiel ihr etwas auf. „Hey“, rief sie, „du bist ja eine rosa Spinne!“
Wuschel schaute sie an. „Ja, darum mag mich auch keiner.“ „Ich find das toll“, widersprach das kleine Mädchen.
„Du findest das toll?“ Wuschel war ganz erstaunt. „Aber . . . warum?“ Das kleine Mädchen fing an zu lachen. „Rosa ist eine tolle Farbe, darum!“, klärte sie Wuschel auf.
„Ich bin übrigens Sarah“, stellte das kleine Mädchen sich vor und hielt der kleinen Spinne eine Hand hin.
Wuschel lächelte ein wenig und legte eines ihrer rosa Füßchen in Sarahs Hand. „Und ich bin Wuschel!“
„Das ist ja ein toller Name“, fand Sarah.
„Wollen wir Freundinnen sein?“, fragte das Mädchen da plötzlich. Für sie war klar: Eine bessere Freundin als eine rosa Spinne konnte sie ihr Lebtag nicht finden.
Wuschel konnte nur nicken.
Und zum ersten Mal in ihrem Leben schlief Wuschel in einem Bett. Aber das Schönste war, sie war nicht allein: Ihre neue, beste Freundin Sarah war auch da.
Hier geht’s zu den anderen Kapiteln der Geschichte:
»Schokolade in der Schublade« . . .
Marie-Louise Buschheuer (Geschichte und Illlustration)
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