Der Artikel »Abtreibung? Nein, danke!« ist eine Meinungsäußerung von L.S. (AlexOffice) zum kontroversen Thema „Schwangerschaftsabbruch“.
Da es sich um sensible Inhalte handelt, setzen wir an dieser Stelle eine ***Triggerwarnung***.
»Abtreibung? Nein, danke!«
Ja, ich bin ein Mann und ja, ich schreibe zur Abtreibung − denn bei der Weitergabe menschlichen Lebens sind Frau und Mann beteiligt. Aber weshalb jetzt? Ich hatte zur Teilnahme am „Marsch für das Leben“, der erstmals auch in Köln stattfinden wird, geworben und unerwarteter Weise heftige Gegenreaktionen bei Kolleg:innen und Vorgesetzten hervorgerufen − das machte mich recht nachdenklich. Axiologisch (wertethisch) und entwicklungsbiologisch scheine ich auf der richtigen Seite zu stehen.
Es scheint mir ähnlich wie mit dem sprichwörtlichen Elefanten in der Mitte des Raumes, über den jedoch niemand sprechen möchte, gelagert zu sein: das gesellschaftlich hochsensible Thema des Schwangerschaftsabbruches bis zur 22. Woche in Fällen, bei denen weder eine Vergewaltigung vorliegt, noch gesundheitliche Gefährdungen für die Mutter bestehen, sondern die Begründung auf lebensplanerischen Aspekten der volljährigen Mutter oder der Weigerung, einen Menschen mit z. B. Trisomie 21 zu gebären, beruht.
Laut des Statistischen Bundesamtes liegen die Abtreibungs-Zahlen in der vergangenen Dekade konstant bei jährlich ca. 100.000 Fällen (1). Hiervon sind jährlich ca. drei- bis viertausend Abtreibungen auf eine medizinische Indikation (gesundheitliche Gefährdung der Mutter durch die Schwangerschaft) zurückzuführen, ca. 20 bis 50 Abtreibungen geschehen aufgrund einer kriminologischen Indikation (Vergewaltigung); knapp die Hälfte der abtreibenden Frauen hat jeweils bereits ein oder zwei Kind(er) (2).
Die gedankliche Folie, dass vor allem minderjährige Frauen aus prekären Verhältnissen oder allzu zahlreiche Familien am Rand der Armutsgrenze den Schwangerschaftsabbruch wählen, deckt sich nicht mit der statistischen Realität, wenngleich diese Fälle im niedrigen einstelligen Prozentbereich existieren und ihnen mit Sensibilität und großem Verständnis, das umfassende Unterstützungsmöglichkeiten für den familiären Alltag aufzeigt, begegnet werden sollte. Gesagt werden kann, dass in den vergangenen 25 Jahren stets knapp die Hälfte der Abtreibenden verheiratet, geschieden oder, in seltenen Fällen, verwitwet war (3). 1998 entfielen bei 131.795 erfassten Abtreibungsfällen allein 75.521 auf Verheiratete und Geschiedene, im Jahr 2022 waren es bei 103.927 bundesdeutschen Abtreibungen 43.126, die durch verheiratete und geschiedene Menschen verlangt und an ihnen durchgeführt wurden (4).
Der Rückgang von Abtreibungen im Spektrum der Verheirateten und Geschiedenen bei ähnlich hohem Gesamtniveau lässt sich zumindest teilweise mit der geringeren Häufigkeit von Eheschließungen bei dennoch bestehender fester Lebenspartnerschaft erklären (5). Nur 3% der abtreibenden Frauen sind aktuell unter 18 Jahren alt, jedoch annähernd 20% zwischen 35 und 39 Jahren (6). Die Häufigkeit von Abtreibungen bei großen Kernfamilien mit fünf oder mehr Kindern liegt abgeschlagen bei stets 1-2% in den vergangenen zehn Jahren (7).
Wäre es also die bürgerliche Mitte, die aufs Neue einen erheblichen Anteil der Abtreibungen zu verantworten hat – obwohl keine akute Armutsgefährdung vorliegt? Ich frage mich gelegentlich, ob es hierbei um eine höhere Gewichtung des Statuserhaltes gegenüber dem Recht des Kindes auf Leben geht?
Doch wie könnten tragfähige Strategien aussehen, um den konstant hohen Abtreibungszahlen entgegenzuwirken?
Dies kann aufgrund des intimen Themenfeldes nur jedem individuell überlassen bleiben. Alternative partnerschaftliche Spielarten, bei denen eine ungewollte Schwangerschaft ausgeschlossen bleibt, sind zunehmend gesellschaftlich akzeptiert und wenig(er) schambesetzt. Satisfier in breit gefächerter Möglichkeits-Palette und bunter Varianz finden sich im Drogeriemarkt meines Vertrauens schon seit Jahren neben dem Kondom-Regal; mit wenigen mouse-clicks sind weitere Produkte und toys ganz unkompliziert und neutral verpackt zu erwerben. Wie man auch hierüber denken mag − die Tötung der eigenen Leibesfrucht scheint mir gewiss ein größeres Übel zu sein. Doch derlei Zugeständnisse lassen die Zahlen der jährlichen Abtreibungen (welche eben nicht auf Vergewaltigung oder gesundheitliche Gefährdungen der Mutter zurückgeführt werden) erneut und wieder erneut nicht sinken!
Was bewegt, plakativ formuliert, jährlich stets aufs Neue annähernd 100.000 Frauen und Männer in Deutschland zu dieser Entscheidung, trotz ausführlichster Thematisierungen im Biologie-Unterricht, Beratungsangeboten, Tutorials im Netz und den Okkasionen alternativer Befriedung? Bräuchten wir gar einen der „Prüfung zum Führen eines Kraftfahrzeuges“ nachempfundenen Kursus für die privateste Sache der Welt? Ich bin ratlos und peinlichst berührt. Wie sollte weiter argumentiert werden, wenn alles an einer Oberfläche aus Persönlichkeitsrechtsanspruch (was ist mit den Rechten des Kindes?) abzuperlen scheint, sich die Zahlen einfach nicht verringern? Der eigene Standpunkt kann benannt werden.
Mein persönlicher Vorschlag lautet: Lasst uns diese Welt humaner gestalten! Viele von uns sind gegen das Schreddern von Küken, so wie ich. Ich bin vor meinem Gewissen gleichzeitig auch gegen das „Absaugen“ menschlicher Föten, bei dem das werdende Leben im Unterdruck zerrissen wird, und freue mich über jeden, der meine Meinung teilt!
Ein Beitrag von L.S.
Quellen und weiterführende Links:
(3) www.gbe-bund.de: Schwangerschaftsabbrüche (Tabelle)
(4) www.gbe-bund.de: Schwangerschaftsabbrüche (Tabelle)
(5) statista.com: Anzahl der Eheschließungen in Deutschland von 1991 bis 2022
(6) www.destatis.de: Pressemitteilungen
www.destatis.de: Schwangerschaftsabbrüche
notdiensthebamme.de: Deine 21. Schwangerschaftswoche
www.bmfsfj.de: Schwangerschaftsabbruch nach § 218 Strafgesetzbuch
Bild von Rebecca Scholz auf Pixabay
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