In der Reihe »Berühmte Persönlichkeiten mit psychischer Erkrankung« stellt das Social Media Team des AlexOffice einige betroffene Menschen vor, die in der Öffentlichkeit stehen bzw. standen. In einzelnen Beiträgen erfahrt ihr, wie die jeweiligen Persönlichkeiten selbst und wie die Gesellschaft mit dieser Art von Erkrankung umgehen.

Lest hier den Artikel zu Camille Claudel, die heute vor 158 Jahren geboren wurde.


 

»Berühmte Persönlichkeiten mit psychischer Erkrankung« – Camille Claudel

 


 

Kindheit

Camille Rosalie Claudel kam am 8. Dezember 1864 in Villeneuve-sur-Fere in der Champagne als Kind des Ehepaares Claudel zur Welt. Ihr Vater Louis-Prosper Claudel war Finanzbeamter, ihre Mutter Louise-Athenaïse Cervaux-Claudel eine Gutsbesitzerin. Camille war das zweite Kind. Ein Jahr zuvor wurde der erstgeborene Charles-Henri geboren und verstarb nach nur zwei Wochen. Camille verbrachte ihre gesamte Kindheit in einem kleinen Dorf, in dem die Familie durch die Stellung des Vaters zu den besseren Leuten gehörte. 1866 wurde Louise-Jeanne Claudel geboren und zwei Jahre später folgte ihr Bruder Paul Louis Claudel. Kurz vor dem Fall des zweiten Kaiserreiches wurde der Vater von Camille nach Bar le Duc versetzt, wo Camille mit sechs Jahren eingeschult wurde. Später wurden die Kinder von einem Hauslehrer unterrichtet.

Berufswunsch Bildhauerin

Camille Claudel (links) und Jessie Lipscomb (rechts) im Atelier

Camille Claudel (links) und Jessie Lipscomb (rechts) im Atelier

Camille lebte bis zu ihrem zwölften Lebensjahr in Bar le Duc. Das Modellieren übte eine gewisse Faszination auf sie aus, wie auch die Materialien Stein und Ton. Das Monument in der Kirche Saint-Étienne in Bar le Duc „au cœur de René de Chalon“ (Le Transi oder Le Squelette genannt) von Ligier Richier dürfte schon früh das Interesse Camille Claudels für die Bildhauerei geweckt haben. Da ist es wenig überraschend, dass Camille mit 12 Jahren den Wunsch äußerte, Bildhauerin zu werden.

Camilles Vater förderte ihr Talent in diesem wenig mädchenhaften Bereich. Als er 1876 nach Nogent-sur Seine versetzt wurde, bat er 1879 den Bildhauer Alfred Boucher, Camilles Arbeiten zu begutachten. Alfred Boucher selbst war ein Schüler des Bildhauers und Direktors der Pariser Kunstakademie Paul Dubois. Als dieser ihr Talent attestierte und empfahl, die Bildhauerei ernsthaft zu verfolgen, besuchte Camille die private Académie Colarossi, da an der Pariser Kunstakademie (Ècole nationale supérieure des beaux-arts de Paris) keine Frauen zugelassen wurden.

Mit 16 Jahren trat sie in die Académie Colarossi ein, arbeitete mit anderen jungen Bildhauerinnen in einem eigenen Atelier und wurde bald Wortführerin der Gruppe. Eine von ihnen war die Engländerin Jessie Lipscomb, mit der Camille eine enge Freundschaft verband. Alfred Boucher kam einmal die Woche ins Atelier für Korrekturen. 1883 erhielt er ein Italien-Stipendium. Bouchers Vertretung war sein Freund Auguste Rodin, damit wurde der Grundpfeiler für Camille Claudels Ende gesetzt.

Beziehung mit Auguste Rodin

Camille traf auf den 43-jährigen Bildhauer Auguste Rodin. Er zeigte sich beeindruckt und fasziniert von ihrer Arbeit sowie Persönlichkeit. Ein Jahr später fertigte Rodin eine Porträtbüste von Camille Claudel, deren Bronze-Fassung im Musée Rodin in Paris steht. 1885 stellte Camille das erste Mal aus. Im selben Jahr wechselte sie zusammen mit Jessie Lipscomb als Werkstattgehilfinnen vertraglich in das Atelier Rodins.

Durch diesen Wechsel erhielt Camille großartige Arbeitsmöglichkeiten mit verschiedensten Materialien, Modellen, Anleitung und Beratung. Dafür ließ sie die Vereinnahmung ihrer Zeit und Person zu. 1886 setzte Rodin einen Vertrags-Brief auf, der vermutlich von Camilles Bruder Paul diktiert wurde, in dem er sich verpflichtete, Camille als einzige zu unterrichten, ihr Kontakte zu vermitteln und sie zur Ehefrau zu nehmen. Dahinter verbarg sich vermutlich die Absicherung von Camilles Zukunft als ehrbare Frau zu einer Zeit, in der Frauen ohne männliche Führung und Beistand nichts tun konnten. Die Bildhauerei galt in dieser Zeit als ausschließlich männliche Domäne.

Camille Claudel: "Sakountala" oder "Vertumnus und Pomone", Marmorskulptur, 1905

Camille Claudel: „Sakountala“ oder „Vertumnus und Pomone“ (verschiedene Versionen ab 1888); abgebildet: Marmorskulptur 1905

Bruch mit der Familie

Camille lebte zu dieser Zeit in einer gutbürgerlichen Familie und war tagsüber in Rodins Atelier beschäftigt. Camilles Mutter war wenig begeistert von dem Lebensstil ihrer Tochter. Bei einem gemeinsamen Abendessen mit Rodin, dessen damaliger Lebensgefährtin und der Familie von Camille zeigte sich der Vater entrüstet, als sich ihm die Dimension des Lebens seiner Tochter offenbarte. Es kam zum Bruch zwischen Mutter und Tochter. Viel gravierender für Camille war allerdings die Reaktion ihres Vaters und somit der Verlust von Sicherheit und Schutz.

Da es für sie zuhause kaum mehr möglich war zu arbeiten, verließ Camille 1888 die elterliche Wohnung und zog an den Boulevard d‘Italie. Rodin mietete sich in der selben Straße ein Atelier in einer romantischen Villa, in der er arbeitete und sich mit Camille traf. Die Beziehung zwischen Camille und Rodin war schwierig und von vielen Streitigkeiten begleitet.

Bruch mit Auguste Rodin

1892 verließ Camille das gemeinsame Atelier, um ein Jahr später die Trennung von Beruf und Alltag zu vollziehen und das Verhältnis mit Rodin zu beenden. Nach der Trennung stürzte Camille finanziell wie emotional in eine tiefe Krise. 1898 verließ sie den Boulevard d‘Italie und ließ sich in der Rue de Turenne 63 nieder und wechselte ein Jahr später an den Quai Bourbon 19 in eine dunkle Zwei-Zimmer-Wohnung, wo sie bis 1913 wohnte.

Camille Claudel: "L'Âge mûr" (Das reife Alter), 2. Version, 1899, Musée Rodin, Paris

Camille Claudel: „L’Âge mûr“ („Das reife Alter“; 1893-1899 Versionen in Gips und Bronze), abgebildet: zweite Version 1899, Musée Rodin, Paris

Zwangseinweisung

Bei einer letzten gemeinsamen Reise mit ihrem Bruder Paul und Bekannten zeigt sich dieser aufgrund ihrer Erscheinung entsetzt und lässt sie mit Hilfe der Mutter in eine Anstalt zwangseinweisen. Von dem Tod des Vaters am 2. März 1913 wird sie nicht unterrichtet und bleibt dadurch fern. Der Journalist Henry Asselin, der sie öfter in ihrem Atelier besucht hatte, beschrieb 1905 Camille Claudels Zustand als Folge von Paranoia, als Vernachlässigung von Eitelkeit, Vergiftungswahn und physischen Verfall. Von diesem Jahr an zerstörte sie systematisch all ihre Werke.

30 Jahre „Irrenanstalt“

Sie verbrachte dreißig Jahre in psychiatrischen Anstalten, ohne je Besuch von der Mutter und Schwester zu erhalten und verstarb am 19. Oktober 1943 in der Anstalt von Montdevergues an einem Schlaganfall, dem Unterernährung zugrunde lag. Camille Claudel wurde auch dort beigesetzt, ohne Grabstein, dem Vergessen anheimfallend.

Schlussbemerkung

Camille Claudel war eine mutige, talentierte und – ihrer Zeit voraus – eigensinnige Frau, die nicht dem ihr vorbestimmten Leben folgen wollte und ein derart tragisches Ende fand, dass einen wütend und verständnislos zurücklässt.

Eine Beitragsreihe des AlexOffice Social Media Teams

Text: Zadora Lee
Titelbild: Günes Ceyran

Quellen und weiterführende Links:
• Wikipedia: „Camille Claudel“  
• FemBio: „Biografie – Camille Claudel“
• Artsper Magazine: „10 Dinge, die man über Camille Claudel wissen sollte“
• SILO-TIPS: „Camille Claudel – ein Künstlerleben zwischen Wahn und Leidenschaft“

Bildquellen: 
• Camille Claudel und Jessie Lipscomb im Atelier von William Elborne via Wikimedia Commons 
• Sakountala (Vertumnus und Pomone) von Pierre André Leclercq via Wikimedia Commons
• L’âge mur (Das reife Alter) von Jean-Pierre Dalbéra from Paris via Wikimedia Commons 


Hier geht es zu weiteren Artikeln aus der Reihe »Berühmte Persönlichkeiten mit psychischer Erkrankung«:

Heinrich Heine mit einem Zitat "Kranke Menschen ..." (AlexOffice)

Einleitung zur Reihe

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