Der 12-teilige Artikel »Mein TRAVEL LIFE KIT« besteht aus einer Sammlung an Erfahrungen, Erkenntnissen und Strategien, Impulsen und Anregungen, die Barbara Minnich aus dem AlexOffice als Reiseausrüstung für ihr Leben in einen symbolischen Koffer gepackt hat. Mit diesem Beitrag lässt sie alle Leser*innen, die auch von depressiven Störungen betroffen sind, eigene Blicke in diesen Koffer werfen – in der Hoffnung, dass er auch für Andere eine Inspiration und Unterstützung sein kann bzw. zumindest einige Gedankenanstöße bietet. – Lest hier Teil 8: „Selbstmitgefühl“.
Mein »TRAVEL LIFE KIT« – 8 – Selbstmitgefühl
Chenrezig (Avalokiteshvara), Buddha des Mitgefühls, Painted by Jampa, Dharamsala, 1975
Barbara Minnich | »Selbstmitgefühl« | digital bearbeitetes Motiv einer Postkarte, erworben 1987 im Himalaya
Vor vielen Jahren war ich lange Zeit in Asien unterwegs. Eine ganz besondere – auch spirituelle – Verbundenheit fand ich 1987 zum Himalaya, dem „Dach der Welt“. Stellvertretend für meine Erfahrungen und Gefühle in Verbindung mit dieser Reise ist das Bild von Chenrezig, dem tibetischen Buddha des Mitgefühls, das mich seitdem in Form einer Postkarte begleitet und in meinem Zuhause immer in Sichtweite ist. (Mittlerweile sind die Farben auf der Karte zwar schon ziemlich verblichen, aber glücklicherweise hatte ich das Bild irgendwann gescannt und digital farblich bearbeitet – erst für mich, an dieser Stelle jetzt auch für euch.)
Auch während meiner Therapiereise und innerhalb des Prozesses, mit mir selbst in Kontakt zu gehen, wurde das Thema „Mitgefühl“ zu einem ganz wichtigen Aspekt für meinen Gesundungsfortschritt. Nicht nur das – ich erlebte ein revolutionäre Erneuerung meiner Sichtweise auf mich selbst. Es ging mir sozusagen ein Licht auf, als mir aus heiterem Himmel eröffnet wurde, …
- … es sei möglich, auch für sich selbst Mitgefühl aufzubringen;
- … es sei möglich, einen freundlichen und mitfühlenden Umgang nicht nur mit anderen, sondern auch mit sich selbst zu finden und sogar wohlwollend und nachsichtig mit sich umzugehen;
- … es sei möglich, eine mitfühlende Haltung auch den eigenen leidvollen Erfahrungen gegenüber aufzubringen, die das Leben zwangsläufig mit sich bringt;
- … es sei möglich, sich in dieser Haltung nicht für unangenehme Gefühle und erlebtes Scheitern zu verurteilen beziehungsweise abzuwerten.
Diese (für mich) neuen Sichtweise-Optionen – bezogenen auf die Art der Haltung sich selbst gegenüber – verblüfften mich zwar, trafen aber absolut meinen Nerv, denn das Empfinden von Mitgefühl für andere war mir ja immer schon vertraut gewesen.
Über die Lektüre des Buches „Sei nicht so hart zu dir selbst – Selbstmitgefühl in guten und in miesen Zeiten“ von Andreas Knuf setzte ich mich intensiv mit diesem Thema auseinander. Es ist einfach und verständlich geschrieben und bietet – vielleicht auch euch – so manche Gedankenanstöße. Über diesen Link gelangt ihr zu einer Leseprobe.
Um die Botschaft der Option „Selbstmitgefühl“ zu verstehen, musste ich mir erst einmal den Hintergrund bewusst machen – und zwar, dass es zur Realität des Lebens gehört, dass jedem Menschen auch mal Schlimmes widerfährt. Man hat einfach nicht immer nur gute Zeiten. Jedem Menschen geht es auch mal schlecht. Jede*r wird mal krank oder wütend oder erlebt Trauriges oder eine andere Art von Schmerz. Das ist sicher eine Tatsache.
Und in Verbindung mit solchen negativen Erfahrungen ist es eine natürliche Reaktion, „negative“ Gefühle zu haben. Sie lassen sich nicht einfach ignorieren oder weglächeln oder „positiv (weg)denken“. – „Don’t worry, be happy!“ funktioniert da einfach nicht. (Angebrachter wäre dann wohl eher die Einstellung „Shit happens“, … denn der Mist passiert ja. Und da muss man nun mal tatsächlich durch.)
Das Bewusstsein dafür vorausgesetzt, besteht der Knackpunkt dann in der Art und Weise, wie du dir selbst in solch einer negativen Situation begegnest und mit dir umgehst, also in deiner Haltung dir selbst gegenüber. Statt dir beispielsweise ein Missgeschick vorzuwerfen, deswegen auf dir selbst „rumzuhacken“, dich selbst anzuklagen und dich darüber wieder in ein Gefühl der Depression hineinzugrübeln, … hast du ebenso die Möglichkeit, freundlich und nachsichtig mit dir umzugehen und durch Mitgefühl für dich selbst einfühlsam und wohlwollend für dich zu sorgen – so wie du mit einem Menschen umgehst, den du besonders gern hast.
Wenn du merkst, dass du stattdessen in einer negativen Haltung dir selbst gegenüber steckst, besteht die Gefahr, dass aus der Selbstanklage und der Überzeugung, gescheitert zu sein, eine Endlosspirale wird und dass dieses Gefühl alles andere überdeckt und in die Depression führt. (Dabei ging es ja ursprünglich um ein ganz anderes – das auslösende – Erlebnis, das gefühlt werden wollte.)
Puuuh, klingt ja alles ganz schön kompliziert, … dabei ist es doch sooo einfach. – Aber bevor ich mich jetzt wieder in belastende Selbstkritik hineinsteigere und in Frage stelle, ob ich das Thema jetzt auch verständlich genug rübergebracht habe, führe ich mir die Option „Selbstmitgefühl“ lieber noch mal selbst vor Augen … und denke: „Ihr werdet’s schon verstehen, wenn es euren Nerv trifft. – Wenn nicht, habt ihr die Möglichkeit, nachzufragen.“
Für mich persönlich ist das Kapitel „Selbstmitgefühl“ jedenfalls ein ganz besonders wichtiges Gepäckstück in meinem Reisekoffer. Und ich nehme mir vor, es von Zeit zu Zeit wieder mal auszupacken, um mich zu erinnern …
Übersicht der Gepäckstücke im »TRAVEL LIFE KIT«
Durch Klick auf ein Bild gelangt ihr zum jeweiligen Gepäckstück meines Reisekoffers »TRAVEL LIFE KIT«.
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Ein Beitrag von Barbara Minnich
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