Ein »Neuer Gesetzesentwurf zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes« hat Marie-Louise Buschheuer aus dem AlexOffice zum Nachdenken gebracht. In ihrem Artikel informiert sie uns über die Fakten der vielversprechenden vorgesehenen Änderungen, erläutert aber auch ihre Bedenken, was die erfolgreiche Umsetzung der Idee angeht. –
Auch unsere Meinungen dazu sind gefragt!
In den Kommentaren (siehe unten) können wir sie Marie-Louise mitteilen.


 

Neuer Gesetzesentwurf zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes

 


Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat ein neues Gesetz auf den Weg gebracht, beziehungsweise eine Änderung vorhandener Gesetze.

Die Änderungen sollen bewirken, dass der allgemeine Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung inklusiver wird und mehr Menschen dort eine Anstellung finden.

Nun, der Gedanke ist gut, doch so ganz ausgereift ist das Ganze leider noch nicht. Hier die Fakten und was ich darüber denke!

Die Fakten

Bereits am 21.12.2022 wurde der Gesetzesentwurf verabschiedet und wartet damit nur noch auf Veröffentlichung, um wirksam zu werden.

Folgende Ziele sollen durch die Gesetzesänderung erreicht werden:

  • mehr Menschen mit Behinderungen in reguläre Arbeit zu bringen
  • mehr Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Arbeit zu halten
  • zielgenauere Unterstützung für Menschen mit Schwerbehinderung zu ermöglichen

Klingt toll, klingt nach einem Plan, und der soll durch folgende Maßnahmen erreicht werden:

  • Erhöhung der Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber, die trotz Beschäftigungspflicht keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen („vierte Staffel“); für kleinere Arbeitgeber sollen wie bisher Sonderregelungen gelten
  • Konzentration der Mittel aus der Ausgleichsabgabe auf die Förderung der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
  • Einführung einer Genehmigungsfiktion für Anspruchsleistungen des Integrationsamtes
  • Aufhebung der Deckelung für den Lohnkostenzuschuss beim Budget für Arbeit
  • Neuausrichtung des Sachverständigenbeirates Versorgungsmedizinische Begutachtung

Die Erhöhung der Ausgleichsabgabe wird dann das erste Mal im März 2025 fällig – in diesem Monat ist die Abgabe für 2024 fällig. Auch können Firmen diese Ausgaben nicht mehr in der Steuer als Betriebsausgaben absetzen – ein großer Fortschritt.

Zur Erklärung sei hier eingefügt, dass sich die Ausgleichsabgabe staffelt und derzeit wie folgt gestaffelt ist:

Die Höhe der Ausgleichsabgabe beträgt je unbesetzten Pflichtarbeitsplatz

  • 140 Euro bei einer Beschäftigungsquote von 3 Prozent bis weniger als 5 Prozent
  • 245 Euro bei einer Beschäftigungsquote von 2 Prozent bis weniger als 3 Prozent
  • 360 Euro bei einer Beschäftigungsquote von weniger als 2 Prozent

Diese Mittel sollen dann dafür eingesetzt werden, behinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern.

Diese Förderungen sollen auch schneller genehmigt werden. Genehmigungsfiktion bedeutet, wenn nach sechs Wochen noch keine Antwort auf den Antrag gegeben wurde, kann man von einer Genehmigung ausgehen. Das setzt die Ämter unter Druck, die Anträge schneller zu bearbeiten, definitiv ein Fortschritt.

Das Budget für Arbeit ist relativ unbekannt und dass der Lohnkostenzuschuss nicht mehr gedeckelt ist, ist gut.

Doch ihr entnehmt meinen Worten schon, dass ich da einige Punkte sehe, die in der Umsetzung vermutlich hapern werden. Und dazu komme ich jetzt.

Meine Meinung und Befürchtungen

Das Budget für Arbeit ist relativ unbekannt und eine der Alternativen zu einem Platz in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Über dieses Budget kann ein Lohnkostenzuschuss beantragt werden oder benötigte Sonderausstattung für den Arbeitsplatz.

Heißt, der Arbeitgeber wird bei der Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen dahingehend unterstützt, dass ein Teil des Lohns übernommen wird. Ebenso können Anschaffungen von besonderer Ausstattung darüber abgerechnet werden (beispielsweise Braille-Zeilen für Blinde oder Ähnliches).

Dass dieses Budget relativ unbekannt ist, ist traurig und ich selbst habe davon erst vor einigen Monaten erfahren. Es wäre also notwendig, dieses Budget weiter bekannt zu machen – bei Firmen wie auch bei den Betroffenen.

Die Konzentration der Mittel aus der Ausgleichsabgabe klingt absolut logisch – doch frage ich mich hier:
Macht es nicht auch Sinn, einen Teil der Mittel dafür zu nutzen, Menschen mit Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu bringen?

Denn hier ist die erste große Hürde: Viele arbeiten derzeit in Werkstätten und bisher können die Werkstätten auf einen Teil dieser Abgabe zugreifen. Die Vermittlung von Werkstattbeschäftigten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gehört meiner Meinung nach eindeutig mit in dieses Paket. Betriebsintegrierte Außenarbeitsplätze sollten keine Dauerlösung mehr sein, sondern ein Sprungbrett und die Übernahme solcher Mitarbeiter muss für Firmen attraktiver gestaltet werden. Um hier Informationsmöglichkeiten, aber auch Handlungsmöglichkeiten zu schaffen, benötigen die Werkstätten diese finanziellen Mittel.

Einspringen müssen dann hier die Träger der Werkstätten, was vielfach die Landschaftsverbände sind.

Weiterhin ist es immer noch möglich, die Ausgleichsabgabe zu umgehen: indem Firmen Aufträge an Werkstätten für behinderte Menschen abgeben!

Damit können sie Aufträge zu einem verminderten Steuersatz, aber auch zu verminderten Preisen abgeben, die sonst wesentlich mehr kosten würden. Gleichzeitig sind diese Aufträge eine Existenzgrundlage für die Werkstätten – daher können sie auch nicht darauf verzichten, solange nicht das System Werkstätten gänzlich revolutioniert wird.

Dennoch sollte es nicht mehr möglich sein, sich als Unternehmen durch externe Aufträge an Werkstätten zugleich auch aus der Ausgleichsabgabe “freikaufen” zu können. Dies gilt es voneinander zu entkoppeln.

Hier gehört also definitiv nachgebessert!

Auch wenn der Gesetzesentwurf viele gute Dinge auf den Weg bringt, so sind einige große Baustellen immer noch nicht in Angriff genommen!

Wer in eine WfbM einsteigen möchte oder als Mensch mit Beeinträchtigung auf dem ersten Arbeitsmarkt Hilfen in Anspruch nehmen möchte, der steht vor einem Wirrwarr an Anträgen, die bei verschiedenen Ämtern und/oder Trägern eingereicht werden müssen. Oftmals ist es ein ziemlicher Dschungel, in welchem sich häufig auch jene nicht auskennen, die genau dafür da sein sollten.

Eine zentrale Stelle, die sich um Anträge, Hilfen und alles drumherum kümmert, wäre absolut genial und würde die Inklusion vereinfachen.

Viele Menschen mit Behinderung brauchen Nischenarbeitsplätze und können durch Fähigkeiten, die vielleicht nicht genau in das Berufsfeld fallen, eine Bereicherung sein. Doch die wenigsten Arbeitgeber wissen, wie sie solche Plätze schaffen können, welche Voraussetzungen und welche Hilfen möglich sind. Solche Arbeitsplätze gehören deutlich gefördert.

Wer als Mensch mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten möchte, braucht oftmals einen Inklusionsassistenten: jemanden, der ihn oder sie unterstützt, eine Brücke zum Arbeitgeber schlägt und bei Problemen, aber auch bei Anträgen als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Doch davon gibt es leider viel zu wenige.

Generell gilt: Es gibt viel zu viel Bürokratie in diesem Bereich. Und das macht es einem schwer. Unnötig schwer.

Was sagt ihr zu den neuen Gesetzen?


Mehr Informationen findet ihr auf der Seite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales unter dem folgenden Link:
https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/gesetz-zur-foerderung-eines-inklusiven-arbeitsmarktes.html



Ein Beitrag von Marie-Louise Buschheuer
sternenruferin

Foto (bearbeiteter Ausschnitt) von Tingey Injury Law Firm auf Unsplash 


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