Als Selbstbetroffene schildert Jean Mertznich aus dem AlexOffice ihre persönlichen Erfahrungen mit dem psychischen Krankheitsbild der „Dissoziativen Störung“ und beschreibt, wie sie damit umgeht und was ihr hilft. Darüber hinaus erhalten wir weiterführende Links. Die Illustration des Beitrags wurde von der Autorin selbst gestaltet. 

Da es sich um sensible Inhalte handelt, setzen wir an dieser Stelle eine ***Triggerwarnung***.


 

Die Dissoziative Störung

Was ist das eigentlich, wie fühlt es sich wohl an, an dieser Art von Störung zu leiden?

Nun, aus meinen eigenen Erfahrungen der letzten Wochen heraus: Es fühlt sich ziemlich schrecklich und komisch an.
Es reißt einem buchstäblich den Boden unter den Füßen weg und man wird regelrecht mit aller Macht überfallen davon.

In diesem Zustand, welchen man „Dissoziieren“ nennt, macht der Körper sein eigenes Ding.
Auf gut Deutsch gesagt: Er spielt verrückt!
Da sich in dem Moment eines dissoziativen Anfalls die Seele vom Körper trennt oder zersplittert und man sozusagen nicht mehr man selber ist.

Illustration zum Beitrag "Die Dissoziative Störung"Bei mir z. B. zeigt sich das, indem ich komplett erstarre und meinen kompletten Körper nicht mehr kontrollieren und auf äußere Reize reagieren kann. Jedoch höre ich alles und bekomme dadurch mit, was um mich herum passiert, kann jedoch nicht reagieren. Was für mich sehr blöd und anstrengend ist. Für Außenstehende sieht es so aus, als wäre ich bewusstlos oder nicht da, was aber nicht der Fall ist. Ich atme normal, mein Herzschlag ist normal – alles soweit im Normalbereich eigentlich.

Hört sich sehr komisch und auch schräg an, aber entspricht leider der Wahrheit. Es ist Wahnsinn, was der Körper so alles anstellen kann, um uns zu zeigen: „Hey, halt Stopp, bis hier her und nicht weiter!“

In den ersten Wochen kamen die dissoziativen Anfälle ohne jegliche Vorwarnung aus dem Nichts, was für mich sehr schwierig war und weil ich nicht wusste, was mit mir gerade passiert.

Im Laufe meiner Behandlung/Therapie wurde mir gezeigt und bewusst gemacht, in welchem Zusammenhang diese Anfälle mit mir und meinem Tun stehen und dass dies eine Reaktion meines Körpers und meiner Psyche auf das Unerträgliche ist, was mir in meiner Vergangenheit widerfahren und passiert ist.

Diese Überreaktion stellt eine Schutzfunktion dar, die aber eigentlich total übertrieben und unpassend ist, da das Ereignis ja in der Vergangenheit liegt und passiert ist und nicht im Hier und Jetzt. Aber das merkt und registriert der Körper halt in dieser Situation nicht.

Mittlerweile habe ich gelernt, damit umzugehen und auf meinen Körper zu hören, wenn er mir Signale sendet, wenn der nächste Anfall lauert und es Zeit wird für mich, Gegenmaßnahmen zu ergreifen und dem entgegenzuwirken, um halt nicht abzudriften und um im Hier und Jetzt zu bleiben.

Wenn ich mich gerade in einem dissoziativen Anfall befinde, ist es mir wichtig, dass man ruhig bleibt und mich nicht anfasst, mich nur dann anfasst, um mich zu stützen, wenn ich irgendwo drohe, runter zu stürzen. Und dass man mir immer alles vorher erklärt, was gerade um mich und mit mir passiert, denn das gibt mir die nötige Sicherheit.

Und das Allerwichtigste: dass man mir meine Notfalltasche reicht mit den darin enthaltenen Notfall-Skills.

Notfall-Skills:

  • Kardamom-Riechröhrchen
  • Pfefferminz-Öl (1 Tropfen auf den Handrücken)

Denn dies ist ein täglicher Kraftakt, dauernd zu reflektieren: wie ist deine Anspannung in diesem Moment, wie fühlst du dich eigentlich gerade?

Die dissoziativen Störungen treten bei jedem/jeder Betroffenen jedoch in verschiedenen Formen auf, jeder/jede reagiert und dissoziiert anders. Ich z. B. leide an der gemischten Form dieser Störung, wo halt aus den anderen Formen jeweils ein Teil mit vermischt ist.

Ich füge Euch am Schluss noch zwei Links hinzu, falls ihr Interesse daran habt zu erfahren, wie die einzelnen Formen dieser Störung aussehen, denn das würde glaube ich hier den Rahmen sonst etwas sprengen.

Nun gebe ich Euch noch einen kleinen Einblick darüber, was die dissoziativen Anfälle bei mir auslöst und welche Gegenmaßnahmen ich ergreife, damit es erst gar nicht dazu kommt.

Auslöser:

  • wenn die Anspannung zu hoch ist
  • wenn ich von etwas getriggert wurde
  • wenn ich mich nicht selbst genug geschützt habe
  • wenn die Emotionen zu viel werden
  • zu große Menschenmassen
  • wenn es mir zu eng wird, man mir zu nahe kommt (private Distanzzone)

Gegenmaßnahmen:

  • Verschiedene Skills, z. B. laut Musik hören, Fidget Spinner & Cube, Igelball, Magnetkugeln, Therapieknete, Zauberwürfel
  • Düfte wie Lavendel, Rosenholz, Minze, „Gute Laune“ (Zitrus-Mix), „Lass Los“ (Entspannung)
  • Kurz vorm Anfall hilft es, am Kardamom zu riechen oder einen Tropfen Pfefferminzöl vom Handrücken abzulecken.

Weiterführende Links:


Beitrag und Illustration von Jean Mertznich aus dem AlexOffice


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