Eine Auswahl ihrer »Gedichte« stellt uns Susanne Vollbrecht hier als Gastautorin vor. Sie lebt seit über 30 Jahren mit einer bipolaren Störung und schrieb ihre Gedichte über einen längeren Zeitraum im Rahmen des Projektes „A poem each day keeps the Doctor away“. Stöbert und lest in ihrer Sammlung per Klick auf den jeweiligen Titel.


 

»Gedichte«

 



Auswahl der Gedichte von Susanne Vollbrecht:

* Melancholie in der Südsee
* Sommerregen
* Bildnis mit Dame
* Verzweiflung
* Frischzellenkur
* Happiness is a warm puree
* Flanieren
* Zweisam
* Selbstwerdung
* Vater und Sohn am Flussufer
* Vater


Klicke auf das gewünschten Gedicht.



Melancholie in der Südsee

Allein am Ufer sitzend,
stieg schwarze Galle hoch.
Ich war noch niemals
auf Hawaii,
sang das Flussschiff.
Mein Lächeln
stimmte mich heiter.
Dem Schiff in der Ferne
Schaute ich nach.

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Sommerregen

Ein Platzregen bricht herein,
ein plötzlicher Trubel entsteht,
Stühle und Tische
werden gerückt.

Wir flüchten ins Trockene,
Wein wird nachgeschenkt,
und die Stimmung ist
heiter und ausgelassen.

Kinder tanzen im Regen,
auf einmal ist alles leicht.
Ein Regenschauer,
so wunderbar erfrischend.

Ich tanze einfach mit.
Der Wein schmeckt süffig
und unser Lachen verhallt
in der Sommernacht.

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Bildnis mit Dame

Ich schaue lange
in den Spiegel,
ganz traumverloren.
Sehe plötzlich
eine Frau, die ich
noch nie gesehen habe.
Ich hebe die Mundwinkel
und lächle mich freundlich an.

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Verzweiflung

Ich bin
Ich bin mir selbst
abhanden gekommen.
Ich bin
Ich bin mir selbst
zu Zweifel geworden
Ich bin
Ich bin mir selbst
im Zweifel näher gekommen.

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Frischzellenkur

Auf der Gedankenautobahn,
fahre ich auf der Standspur.
Von mir selbst entfremdet,
möchte mich neu erfahren.
Meine Gedanken sind alt,
möge ich mich selbst
überraschen mit frischen.

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Happiness is a warm puree

Als ich die Tür aufschließe
duftet es mir zur Begrüßung entgegen.
Ein heißes Püree mit Ei und Spinat
wartet auf blau-weißem Teller.
Zerschlagen setze ich mich dankbar nieder.
Dein warmes Lächeln versöhnt mich mit dem grauen Tag.
Den Teller blank, ist der frische Spinat
zwischen den stumpfen Zähnen, wie eine letzte Gewissheit
in unruhiger Zeit.

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Flanieren

Der Flaneur
Streift durch die Stadt,
der Zufall
weist ihm den Weg.
Die Stadt
ist ihm wohlvertraut.
Das Gehen
und Treibenlassen,
die Intuition
ist der Motor.
Das Glück
das Fundstück.

Langsam streife
ich durch
die Stadt,
gehe und lasse
mich treiben,
folge der Intuition.
Werde vom Zufall geleitet
und mache
mit etwas Glück
wunderbare Entdeckungen.

„Am Eingang der Passage
ein Briefkasten.
Letzte Möglichkeit
mit der Außenwelt
Kontakt aufzunehmen“
(Walter Benjamin)

Auf dem Hintergrund
eines hellblauen Himmels
Sonnenwärts lachen.

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Zweisam

Einsam sind wir alle.
Manchmal vergessen wir das.
Immer dann, wenn wir
im Gleichklang schwingen.
Wenn wir lieben und
uns dabei vergessen.

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Selbstwerdung

Reset
Neustart
Neubeginn

Viele Worte
für eine
schöne Idee

Setze alles
auf Anfang
jetzt gleich

Erfinde
Dich immer
wieder neu

Glaube an
Dich und die
Wandlung

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Vater und Sohn am Flussufer

Der Junge zeigt mit
dem Finger auf etwas.
Beschützend steht
der Vater hinter ihm
und legt die Hand,
auf seine Schulter.
Zwei rostige Wesen
hinter einem kahlen Busch.
Auf was zeigt der Junge?
Ein vorbeikommendes Boot,
einen schwimmenden Hund?
Oder einen Schwarm Fische?
In der Pose, gefriert die Zeit.
Im Eisen ist der Moment gefangen.

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Vater

Eine Attrappe ahmt
das Original
in Teilen nach,
um den Betrachter
zu täuschen

Nur wenige
einzelne Erinnerungen
Der Vater die Zeitung
durcharbeitend
Der Vater
Die Zigarette der
Marke Roth Handle
rauchend
Der Vater
die Kinder Zigaretten
holen schickend
Der Vater
mit dem Koffer
Auf und davon

Wenn Sie mich nach
ihm befragen würden

Ich würde von einer
Vaterattrappe sprechen

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Gedichte: Susanne Vollbrecht
Bild von Paul auf Pixabay, bearbeitet von Barbara Minnich (AlexOffice)

Interessante Links zu Bipolarität:
– „Die Bipolare Störung – Himmelhochjauchzend / zu Tode betrübt“ (Xblog-Beitrag von Nadine Obst)
– „Gib Bipolarität ein Gesicht“ (Instagram)


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