In seinem »Nachruf auf Papa emeritus Benedikt XVI.« gedenkt Werner Otto von Boehlen-Schneider (AlexOffice) des kürzlich verstorbenen ehemaligen Papstes.


 

Nachruf auf Papa emeritus Benedikt XVI. (1927 – 2022)

Ein polarisierender Geistlicher ist verstorben; Benedikt XVI. einzuordnen fällt nicht leicht, da komplexe Erwägungen zu unternehmen wären, um Ausgewogenheit im Urteil herzustellen. Hier nur einige Stichworte als Impuls: Der eher ängstlich-vermeidend Wirkende konnte unerbittlich hart sein, wenn es um überlieferte Glaubenstradition ging, was ihm den Ruf eines „Panzerkardinals“ einbrachte. An die Väterliteratur, der Theologie des ersten Jahrtausends, angelehnt, positionierte sich der junge Joseph Ratzinger mithilfe augustinischer Lehrautorität gegen die Neoscholastik, welche seit dem Pontifikat Leos XIII. eine Verengung des Gedankens bewirkt hatte und erhielt durch Johannes XXIII. Anerkennung.

Auf diesem Pfad voranschreitend positionierte er sich nahe den hochmittelalterlichen Kontroversen der Dominikaner und Franziskaner, wobei letztere oftmals das Nachsehen hatten, erfolgreich zugunsten dieser. Hierfür mag die Seligsprechung des Johannes Duns Scotus 1991 ein ausdruckstarkes Argument sein. Ein „Progressiver“ im Aufnehmen und Weiterdenken jener Traditionen, welche ideengeschichtlich das Nachsehen hatten – so könnten wir Joseph Ratzinger u.a. beschreiben; wobei er byzantinischem Gepränge nicht abgeneigt war, das erste christliche Jahrtausend totaler Herrschaften wertschätzend gegen moderne Relativismen wägte. Hier sei auch an seine durchsetzungsschwache Haltung bei Missbrauchsfällen u.a. in München-Freising erinnert, zu erhaltendes Priestertum in der missio divina gegen Leid unschuldiger Kinder (gälte hier nicht das Christuswort: Was ihr einem meiner kleinsten Brüder tatet, das habt ihr mir getan?) als wertiger abwog. In solcherlei Denkrahmen ganz ähnlich wie die Theologie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erstarrend, ging Benedikt XVI. seinen Lebensweg bis zum Ende, die leicht abgewandelten Sterbeworte der von ihm verehrten Therese von Lisieux (mit wenig scholastischem Gnadenbegriff) wählend, deren Erhebung zur Kirchenlehrerin im Jahr 1997 er beeinflusste.

Text und Bild:

Werner Otto von Boehlen-Schneider
Werner Otto von Boehlen-Schneider


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