Marie-Louise Buschheuer ist Beschäftigte im AlexOffice und Borderlinerin. Wenn die Emotionen explodieren, versucht sie ruhig zu bleiben – auch wenn das eigentlich gar nicht möglich ist. Dass die Erkrankung nun wieder negative Presse erfährt, ist etwas, was ihre Emotionen zum Explodieren bringen. Wie es sich anfühlt, zwischen Extremen gefangen zu sein, könnt ihr hier nachlesen – und auch in Marie-Louises eigenem Blog sternenruferin.


 

… und dann explodieren die Emotionen

Die Borderline Persönlichkeitsstörung ist gerade wieder in aller Munde. Warum? Eine Psychologin, Dr Curry, attestierte in dem Prozess zwischen Amber Heard und Johnny Depp Ms Heard eine Borderline Persönlichkeitsstörung. Von explodierenden Emotionen und einem psychischen Etikett.

Dr Curry und die Diagnose

Dr Curry erklärte vor Gericht, „[…] wenn jemand Angst hat, verlassen zu werden, von seinem Partner oder von jemand anderem in seinem Umfeld, und diese Störung hat, wird er verzweifelte Angriffe unternehmen, um das zu verhindern. […] diese verzweifelten Versuche können körperliche Aggression sein, sie können bedrohlich sein, sie können sich selbst verletzen, aber das sind Verhaltensweisen, die sehr extrem und sehr beunruhigend für die Menschen um sie herum sind. […]“

Sie spricht von explodierenden Emotionen, übersteigerten Reaktionen, von dramatischen und oft unberechenbaren Emotionen.

Und ich muss leider sagen: die gute Dr Curry hat Recht!

Explodierende Emotionen

Ich kenne es aus meinem eigenen Leben, das Springen der Gefühle von Himmelhochjauchzend zu Tode betrübt und alles in extremen Varianten. Es ist einfach Schwarz oder Weiß. Der Partner, die Freundin, die Familie – sie werden entweder glorifiziert oder sind die schlimmsten Menschen überhaupt. Und plötzlich verlassen zu werden und alleine dazustehen ist eine schreckliche Vorstellung.

Entweder bleibt man dann trotz besseren Wissens in einer toxischen Beziehung oder man wird selber zu einem toxischen Partner, weil man seinen Partner unter Druck setzt, ihm droht, ihn in die Enge treibt.

Auch ich kenne das. Ich kenne es, wenn man an etwas festhält, obwohl man leidet, weil man nicht alleine sein will. Und auch das Gegenstück: sich selber verletzen, wenn der Partner nicht so reagiert, wenn man es will, zu schreien, zu beschuldigen aber auch wie ein verletztes Tier in der Ecke zu hocken und nach Zuneigung zu weinen.

Es ist anstrengend, nicht nur für den Gegenüber, auch für einen selber. Die ewigen Sprünge zwischen den Extremen, es laugt aus und macht den Alltag schwierig.

Doch was hilft?

In den meisten Fällen eine gute Therapie. Lange Zeit galten Borderliner als nicht therapierbar. Auch mir wurde das noch gesagt. Dann hieß es, Borderliner dürfen keine Traumatherapie machen, selbst wenn Traumata zu Grunde liegen. Es hieß, und viele befürworten es immer noch, dass Borderliner das nicht können, weil sie sonst in extremes Verhalten abrutschen.

Immer noch gilt die DBT (Dialektisch Behavoriale Therapie) als bestmöglicher Ansatz. Verhalten wird analysiert, als funktional oder dysfunktional bewertet, im zweiten Fall durch eine funktionale Verhaltensweise ersetzt, Emotionen werden erlernt, das Umgehen mit eben jenen erprobt und vor allem Aushalten trainiert. Aushalten, Akzeptanz und Regulierung, Ersetzen dysfunktionaler Verhaltensweisen – für Menschen mit Borderline die einzige Möglichkeit aus dem Teufelskreis auszubrechen.

Dafür ist viel Selbstreflexion nötig, aber auch die Fähigkeit, Kritik anzunehmen. Man braucht ein Gegenüber, der einem immer widerspiegelt, ob man gerade übertreibt. In Kliniken hat man dafür Therapeuten, Bezugspfleger und Mitpatienten.

Im Alltag ist Offenheit im Familien- und Freundeskreis oftmals unersetzlich – denn nur so kann es weiter trainiert werden. Nur durch ständige Selbstreflexion, Training und dem Wissen, was eigentlich in einem passiert, erleichtern das Leben mit dieser Erkrankung.

Und das Zusammenleben mit anderen Menschen.

Eine Schrottdiagnose oder doch ein Etikett?

Eine andere amerikanische Psychologin spricht über Borderline in diesem Zusammenhang nun als „Schrottdiagnose für Frauen“, da die Diagnose laut ihrer Aussage siebenmal häufiger bei Frauen diagnostiziert wird. Es sei eher eine Etikettierung als eine Diagnose.

Dass ich, nach Lesen dieser Aussage meiner besten Freundin schrieb und sie bat, mir bei der Suche nach dem Etikett zu helfen, brachte uns Beide zum Lachen. Wäre es doch so einfach …

Dass es eine Schrottdiagnose ist, die nur dafür sorgen soll, dass „nicht konformes Verhalten zu einer Erkrankung gemacht wird“, halte ich für gefährlich. Jeder Borderliner, der dafür kämpft ein glückliches und erfolgreiches Leben zu führen, wird durch solche Aussagen schwer getroffen.

Borderline ist eine Erkrankung, die das Leben des Betroffenen und seines Umfeldes beeinflusst. Kein Etikett, kein Schrott.

Ob Amber Heard Borderline hat oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Aber zum Vergleich: die Diagnostik in der Klinik hat bei mir auch etwa zwei Tage gedauert – also zeitlich ein ähnlicher Vergleich jedoch mit weniger Stunden.


Marie-Louise Buschheuer
sternenruferin.de

Foto (Ausschnitt) von  Philip Myrtorp auf Unsplash


Auch du kannst deinen Text, deine Erfahrung, dein Gedicht oder auch deinen Podcast bei uns einreichen. Unter Kontakt findest du unsere Ansprechpartner. Schick uns dein Werk und wir veröffentlichen es.